Die Förderung junger Musiker wird erfolgreich von vielen verschiedenen Institutionen unternommen. Neben der neuerdings in Mode geratenen Methode geldgieriger Geschäftemacher, die die Angst von Heerscharen junger Künstler, arbeitslos zu bleiben, ausnützen und mit exorbitanten Gebühren Vorspiel-Sessions veranstalten, gibt es auch so edle Einrichtungen wie das ‘Festival Next Generation’ im schweizerischen Bad Ragaz, wo Talente erkannt und ehrlich gefördert werden. Dank der Energie und der Vision des künstlerischen Leiters Drazen Domjanic steht sogar Geld zur Verfügung, um die Musiker, die vorgestellt werden, auch noch zu bezahlen. Wie sicher Domjanics Gespür ist, zeigen Musiker wie Luka Sulic, Kian Soltani oder Adrien Boisseau, die in vergangenen Jahren in Bad Ragaz waren und heute international Karriere machen. Mit Yury Revich war dieses Jahr auch der Preisträger des ‘ICMA Young Artist of the Year Award 2015’ vertreten.
Das Festival, das Anfang Februar 2015 zum fünften Mal stattfand, ist die glückliche Kombination der Musikakademie im Fürstentum Liechtenstein und des ‘Grand Resort Bad Ragaz’, wo sich exquisite Musik mit exquisitem Ambiente mischen.
Die Internationale Musikakademie im Fürstentum Liechtenstein fördert hochbegabte junge Musiker im Alter von 10 bis 25 Jahren durch bis zu fünf Mal jährlich durchgeführten Intensivunterricht (Einzelunterricht) von einer Woche Dauer bei Dozenten wie Ana Chumachenco, Arie Vardi, Dmitri Bashkirov, Lars Vogt, Milana Chernyavska, Radovan Vlatković oder Philippe Bernold und bereitet sie dadurch für die Aufnahme an den besten Musikhochschulen der Welt bzw. auf den Beginn einer eigenen Künstlerlaufbahn vor.
Partner der Akademie ist das ‘Grand Resort Bad Ragaz‘ in der Ostschweiz, dessen Bäder von einer Thermalquelle mit wohltuender und heilender Wirkung zur Grundlage einer der führenden ‘Wellbeing & Medical Health Resort’-Anlagen in Europa wurden. Inmitten der Alpen erlebt der Gast im exquisiten Fünf-Sterne-Ambiente Erholung pur, ein reichhaltiges Angebot an Sport, Kulinarik und Kultur und, falls nötig, medizinischer Betreuung auf hohem Niveau. Das Resort besteht aus den beiden Fünf-Sterne-Hotels ‘Grand Hotel Quellenhof & Spa Suites’ sowie dem ‘Grand Hotel Hof Ragaz’. Inmitten des Parks liegt der Bernard Simon Saal, wo die meisten Konzerte des Festivals stattfanden. Nachwuchsmusiker im Alter von 10 bis 28 präsentierten dort ein abwechslungsreiches Programm.
Für das fünfte Festival hatte Drazen Domjanic Kammer- und Orchestermusik sowie Solistenkonzerte zusammengestellt. 41 Jungmusiker aus 21 verschiedenen Ländern spielten und wohnten während des Festivals im ‘Grand Resort’. Zusammen sollen sie, so Domjanic, über 1000 internationale und nationale Preise gewonnen haben. Keiner von ihnen ist also ein unbeschriebenes Blatt.
Dass es unter den jungen Solisten Unterschiede in Technik und vor allem Musikalität geben würde, dessen muss man sich bewusst sein, wenn man ein solches Festival besucht. Wer kritisch darüber berichten will, kommt an Kritik nicht vorbei, denn das Gefährlichste wäre es wohl, auch weniger talentierten Musikern vorzugaukeln, sie seien einmalig gut und talentiert, wie das ein nicht wirklich wissendes Publikum mit undifferenzierendem Applaus halt tut.
Am Eröffnungsabend spielte das Kammerorchester ‘Zagreber Solisten’, das leider in den letzten Jahren so manches an Klangkultur eingebüsst hat. Die niederländische Violinistin Noa Wildschut (*2001) und der britische Bratschist Timothy Ridout (1995) waren die Solisten in Mozarts Sinfonia Concertante KV 364, deren Anforderungen sie in schönem Dialog musikantisch und elegant gerecht wurden. Enttäuschend war der Kosovare Petrit Ceku in einem Arrangement für Kammerorchester und Gitarre des ‘Concierto de Aranjuez’ von Joaquin Rodrigo. Die Musik verlor hier jeden spanischen Charakter und wurde durch aufdringliche Sentimentalisierung in einem geschmacklosen Pathos regelrecht ertränkt.
ICMA ‘Young Artist of the Year’ Yury Revich beendete den Abend mit einer unglaublich virtuosen und voll auf Risiko gespielten, improvisatorisch verzierten und daher höchst spontanen Interpretation der Carmen-Fantasie für Violine und Orchester von Pablo de Sarasate.
Hätte Revich doch bloß das ‘Kammerorchester der Internationalen Musikakademie im Fürstentum Liechtenstein’ zur Seite gehabt, das am folgenden Tag sein allererstes Konzert gab. Die jungen Musiker dieser Formation brillierten bei ihrem Debüt mit ganz tollen, spannenden und kohärenten Darbietungen, wie man sie sich schöner und anregender nicht vorstellen kann.
Bei diesem Konzert erlebten wir zum ersten Mal den aus Singapur stammenden und gerade mal 12 Jahre alten Flötisten Nikolai Song, im Konzert QV5:174 von Johann Joachim Quantz. Er hinterließ bereits hier einen sehr guten Eindruck, den er später noch bekräftigen sollte.
Der vierzehnjährige Chinese Jinghan Hou spielte Mozarts Klavierkonzert Nr. 13, elegant, technisch beachtlich, musikalisch jedoch nicht wirklich bemerkenswert. Der 15-jährige Geiger Fukuda Rennosuke aus Japan beschloss das Programm mit Pablo de Sarasates ‘Zigeunerweisen’, in denen er eine schöne Farbpalette benutzte und mit Virtuosität sowie musikalisch fein dosierten Stimmungen beeindruckte.
Der Bernhard Simon Saal war am selben Tag der Schauplatz eines zirzensisch angelegten Programms, in dem der 1991 in der Republik Kasachstan geborene Roman Kim seinem Namen als Teufelsgeiger alle Ehre machte. Nur stand der Teufel mit Kräften im Bunde, die die klassische Musik aus dem Fokus geraten lassen. Soviel Selbstverliebtheit und soviel Show sind nur zu vertragen, wenn man ein Unterhaltungskonzert besuchen will. Wie ‘sinn-los’ Musik bei einer solchen Show werden kann, zeigte eine Bach-Zugabe, die zur leeren Hülle wurde.
In einem weiteren Programm spielte die Niederländerin Lucie Horsch (*1999) ein Blockflötenkonzert von Giuseppe Sammartini, in dem sie mit einem klaren und gleichzeitig warmen, ja sogar fruchtigen Klang beeindruckte. Die norwegische Geigerin Sonoko Miriam Shimano Welde hinterließ in Tchaikovskys ‘Souvenir d’un lieu cher’ mit einem kantablen Spiel einen guten Eindruck, ohne jedoch besonders persönlich zu wirken. Der junge, 18 Jahre alte Portugiese André Gunko gefiel mit in dieser Hinsicht besser. Auf seinem virtuos-singenden Cello blieb er musikalisch immer ehrlich und benutzte die Musik von Tchaikovskys ‘Pezzo capricioso’ nie als Mittel zum Showspielen.
Die slowenische Flötistin Eva-Nina Kozmus (*1994) konnte in einem Vivaldi-Konzert ihr Können unter Beweis stellen, während der Kroate Marin Maras (*1990) und die liechtensteinische Geigerin Sara Plank (*1997) in Sarasates ‘Navarra’ mit einer tänzerisch-eleganten Interpretieren überzeugten und dabei auf angenehmste Weise viel spürbare Spielfreude kommunizierten. Das war eine kongenial gespielte Aufführung!
Nur asiatische Solisten wirkten im letzten Konzert mit, dem ich in Bad Ragaz beiwohnte. Rennosuke Fukuda wirkt in Waxmans Carmen-Fantasie trotz brillanter Coda nicht mehr so frei und souverän wie in den ‘Zigeunerweisen’ von Sarasate, während Jinghan Hou in seinen Chopin-Interpretationen allzu linear spielte, ohne je über den Verlauf der Stimmungen in der Musik nachzudenken. Wer mit 14 Jahren die Musik so wenig spürt, läuft Gefahr, bald aus dem Geschäft zu sein. Begleitet vom armenischen Pianisten Levon Avagyan, hinterließ der zwölfjährige Nikolai Song den stärksten Endruck. Was er in Paul Taffanels ‘Grande Fantaisie sur Mignon’ an genuinem Talent zeigte, löste Begeisterung aus. Anspruchsvoll und raffiniert mischte er die Klangfarben auf seiner Flöte, oft stupend virtuos, aber auch bewegend lyrisch, immer elegant, immer raffiniert, mit richtig gewählten Tempi, wunderbar musikalisch!
Und so gingen drei ereignisreiche und wirklich bereichernde Tage zu Ende. Gerne hätte ich noch mehr gehört, und ich freue mich jetzt schon, im nächsten Jahr wieder beim ‘Festival Next Generation’ dabei zu sein, an einem perfekten Standort, dem ‘Musikgarten’ Bad Ragaz, wo Drazen Domjanic seine ‘Musikpflanzen’ unter denkbar guten Voraussetzungen hegen und pflegen kann.