Anlässlich ihres 125-jährigen Bestehens veröffentlichen die Münchner Philharmoniker eine Box mit 17 CDs. Die Auswahl beinhaltet repräsentative Mitschnitte der Orchesterhistorie.
Hans Knappertsbusch dirigiert auf der ersten CD eine mächtige, architektonisch beindruckende Eroica (1953), gefolgt von einer spannend fließenden Zweiten Symphonie von Johannes Brahms, aufgenommen 1956.
CDs 3 & 4 beinhalten eine 1964 von Fritz Rieger alert dirigierte ‘Zauberflöte’. Die Besetzung ist luxuriös: Fritz Wunderlich ist ein stimmlich herausragender Tamino, Karl Christian Kohn ein wunderbarer Sarastro, Erika Köth eine passable Königin der Nacht, Anneliese Rothenberger eine zauberhafte Pamina und Hermann Prey ein ganz liebenswerter, stimmlich exzellenter Papageno.
Eugen Jochum steht vor dem Orchester für die Rhapsodie für Altsolo, Männerchor und Orchester von Johannes Brahms (1981). Es ist eine wunderbar vergeistigte Darbietung mit der herausragenden Christa Ludwig. Sie singt auch den Solopart in Max Regers ‘An die Hoffnung’. Die CD endet mit einer gut strukturierten und ausbalancierten Fassung von Regers ‘Variationen und Fuge über ein lustiges Thema von Johann Adam Hiller’.
Sergiu Celibidache wird nicht mit Bruckner oder Brahms porträtiert, sondern mit Prokofiev, einem Komponisten, den Celi aber sehr gerne pflegte. Auf dieser CD besticht die ‘Skythische Suite (1988) sowohl in den ‘brutaleren’ als auch in den langsameren Teilen. Großartig sind auch die Auszüge aus ‘Romeo und Julia’, bildreich und hochsensibel, über weite Strecken verinnerlicht und ergreifend (1988).
CD 7 ist Zubin Mehta und Mozart vorbehalten, mit einer fein abgestuften ‘Gran Partita’, gefolgt vom Requiem KV 626 in der Fragmentfassung, ohne die Vervollständigungen von Süßmayr und Eybler. Es ist eine gute, wohl dosierte und überlegen gestaltete Aufnahme mit guten Solisten (Mojca Erdmann, Okka von der Damerau, Michael Schade, Christof Fischesser).
Total ergreifend ist, wenn das Lacrimosa nach nur acht Takten fast endet und nur die Soprane ganz allein weitersingen, aber auch nur zwei Takte lang. Dieses Ende ist ganz schlimm zu ertragen. Mehta fängt die Todesstimmung mit der Motette ‘Ave verum corpus’ auf.
CDs 8 & 9 sind für Verdis ‘Messa da Requiem’ reserviert. Nur wenige Monate vor seinem Tod, im Februar 2014 dirigierte sie der damals 83-jährige Lorin Maazel. Sein Dirigat geht in die Tiefe, ist auf der langsamen Seite, emphatisch und lyrisch, klangschön, differenziert ausgeleuchtet, immer inspiriert und konzentriert. Neben dem leuchtenden Sopran von Anja Harteros fällt Daniela Barcellona durch ein allzu starkes Vibrato auf. Großartig sind Georg Zeppenfeld mit einem schwarzen, warmen Bass und Wookyung Kim mit einer schlanken wohlklingender Tenorstimme.
Auf CD 10 dirigiert Günter Wand eine leider klanglich etwas groß dimensionierte, hallige Symphonie Nr. 40 von Mozart, die aber im Kern sehr farbig und stilvoll ist. Der Mitschnitt stammt aus dem Jahre 1991, während die nachfolgende Fünfte Schubert 1997 aufgenommen wurde.
Ein selten aufgeführtes und nicht unbedingt leicht zu erfassendes Werk dirigiert Horst Stein, Hans Pfitzners ‘Von deutscher Seele’, dem Stein aber viel Dramatik abgewinnt (CDs 11, 12, 1998).
Unter der Leitung von James Levine ist ‘La Damnation de Faust’ von Hector Berlioz zu hören, aufgenommen 1999 mit den Solisten Katarina Dalayman, Marcello Giordani, José van Dam und Roderick Earle. Van Dam und Dalyman sind sehr gut, Marcello Giordani gefällt mir weniger in der Rolle des Faust. Das Orchester spielt hervorragend
Für Schuberts Große C-Dur-Symphonie (je nach Zählung die Neunte oder die Achte) braucht Christian Thielemann 20 Minuten mehr als die schnellsten Dirigenten. Er macht es Celibidache nach, kann aber dessen Spiritualität nicht erreichen und ersetzt sie durch Pathos. Ein so pathetischer Mensch wie ihn Thielemann hier zeichnet, war Schubert wohl nicht.
CD 16 bietet einen Mitschnitt von Shostakovichs Symphonie Nr. 4 (2011) unter Valery Gergiev. Von dieser Symphonie gibt es weitaus bessere Einspielungen, denn diese hier macht nur in Intensität und Kraft, ohne Differenzierung und Tiefgang. Es ist eine etwas nüchtern-vordergründige, aber dennoch durch ihre direkte Klanglichkeit spannungsgeladene Interpretation.
Die letzte CD beginnt mit der von Valery Gergiev inzisiv dirigierten ‘Symphonie d’instruments à vent’ von Stravinsky und endet mit einer opulenten Aufführung von Rimsky-Korsakovs ‘Scheherazade’ (2017). Gergiev inszeniert mit triefendem Pathos, orientalischem Klangrausch und zieht im Orchester alle Register, um das höchst effektvoll werden zu lassen. Andere Dirigenten haben das Drama klanglich nicht so sehr ausgereizt, dafür aber elektrisierender dirigiert. Gergievs Fassung aber hat was, ganz klar…