Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem op. 45 - Johann Sebastian Bach: Andante aus dem Violinkonzert a-Moll BWV 1041 + Erbarme dich aus dem St Matthäus Passion BWV 244 - Georg Friedrich Händel: Der Messias (Auszüge) - Robert Schumann: Abendlied Nr. 12 op. 85 - Giuseppe Tartini: Andante aus dem Violinkonzert B-Dur; Kate Lindsey, Mezzosopran, Jóhann Kristinsson, Bariton, Thomas Cornelius, Orgel, Veronika Eberle, Violine, Cappella Vocale Blankenese, Chor der KlangVerwaltung, Chor der Kantorei St. Nikolai, Compagnia Vocale Hamburg, Franz-Schubert-Chor Hamburg, Hamburger Bachchor St. Petri, Jugendkantorei Volksdorf, Kammerchor Cantico, Vokalensemble conSonanz, Chorleitung: Jörn Hinnerk Andresen, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Kent Nagano; # BIS 2720; Aufnahme 08.2022; Veröffentlichung 21.02.2025 (92'50) – Rezension von Uwe Krusch ** (For English please scroll down)

Das Programmheft der Uraufführung des Deutschen Requiems im Jahre 1868 in Bremen trug den oben genannten Titel. ‘Geistliches Concert am Charfreitag’. Das Konzert wurde im doppelten Sinne als geistliches Karfreitagskonzert und als Ereignis einer großbürgerlichen Gesellschaft verstanden, nach dem es eine fröhliche Feier gab. Die Werkzusammenstellung würde heute kaum jemand treffen. Damals war sie üblich.

Zum einen fehlt dem Requiem noch der 5. Satz (Ihr habt nun Traurigkeit), zum anderen gab es in der Mitte und am Ende Einschübe mit Werken anderer Komponisten. Die Sologeige spielte Joseph Joachim. Seine Frau Amalie sang die Arien, die zu der Zeit zwingender Bestandteil von Karfreitagskonzerten waren.

Im Heft zum Album gibt es ausführliche Informationen zum Requiem, das als Trostmusik die Auferstehungsverheißung verkünden möchte und nicht wie in katholischen Vertonungen die Schreckensvision des Dies irae. Außerdem stehen vertiefte Erläuterungen zur damaligen Programmgestaltung ebenso bereit wie das Libretto und Informationen zu den Interpreten.

Bei seiner Rekonstruktion dieses Ereignisses wählt Nagano das gleiche Programm. Anders als damals wird aber auf heutigen Instrumenten gespielt und die Neuaufführung fand in Hamburg in der Elbphilharmonie, also nicht im Dom zu Bremen statt.

Die sechs hier zu hörenden Sätze sind alle ein wenig kürzer als bei vielen Aufnahmen. Doch Nagano ist ein so guter Dirigent, dass er der Musik darin den Raum und die Entwicklungszeit gibt, die sie benötigt. So gestaltet er mit seinen Musikern eine fast schreitend wirkende, gleichwohl atmende und gut proportionierte Darstellung, bei der das Verinnerlichte und das Meditative bestens aufblühen. In den schnellen Passagen bringen sie die Musik auch bedeutungsvoll bis dramatisch ans Ohr. Somit erzielen sie insgesamt eine Wirkung, die die geistige Dimension zum Ausdruck bringt.

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg, neben dem Elbphilharmonie Hausorchester der zweite große Klangkörper der Stadt, ist auf seinen Chef bestens eingenordet und folgt mit fein ausgehorchtem und sensibel vorgetragenem Spiel seinen Ideen. Auch dieses Ensemble ist abseits eventgetriebener Ereignisse ein nennenswertes Beispiel für die großartige Qualität der Breite der Kulturlandschaft in Deutschland.

Die diversen von Jörn Hinnerk Andresen einstudierten Chöre geben dem Klang eine erhabene Fülle, die gleichwohl nicht zu amorpher Masse wird. Vielmehr bezirzen die Tuttisänger mit tadelloser Homogenität und Intonation sowie, wie übrigens auch die beiden Gesangssolisten, mit extrem guter Artikulation, die das mitlesen der mitgelieferten Texte überflüssig macht. Das gilt ebenso für die beiden von ihnen gesungenen Auszüge aus dem Messias von Händel in der Fassung von Mozart.

Jóhann Kristinsson bringt seinen Bariton gewinnbringend in das Requiem mit ein. Mit seiner schönen und einfühlsamen hellen Stimme gelingt ihm eine überzeugende Stimmführung.

Da der fünfte Satz des Requiems nicht erklingt, kommt Mezzosopranistin Kate Lindsey nur in den Arien ‘Erbarme dich’ aus der Matthäus Passion von Bach sowie ‘Ich weiß, dass mein Erlöser lebet’ aus dem Messias von Händel zum Zuge. Mit gleichermaßen einfühlsamen wie technisch sauberen Interpretationen geht sie die die Werke an. Sobald sie ihrer Stimme etwas mehr Druck gibt, schleicht sich ein leicht scharfer Charakter ein, was den beiden schlichten Arien, vor allem dem bittenden Ton der Passion, einen zu fordernden Anstrich gibt.

Die für Violine und Orgel vom Thomas Cornelius gesetzten Sätze werden von ihm an dem Tasteninstrument und von der Geigerin Veronika Eberle vorgetragen. Die Adaption und das ausgewogene Spiel machen diese Beiträge zu sich stimmungsvoll einfügenden Elementen. Veronika Eberle ergänzt auch in der Arie aus der Matthäus Passion in bescheiden klangvoller und beredter Weise das Geigensolo.

Sicherlich kann man die Idee, das Uraufführungskonzert zu reproduzieren, aber dann auch neue Elemente wie die jetzigen Bearbeitungen der Violinwerke zu wählen, diskutieren. Wenn man aber dieser Idee grundsätzlich positiv sieht, bietet sich hier eine sehr gelungene Deutung an, der man mit Genuss folgt.

The program for the premiere in Bremen in 1868 bore the title The Spiritual Concert on Good Friday. The concert was understood in a double sense as a spiritual Good Friday concert and as an event for upper middle-class society, after which there was a joyful celebration. Hardly anyone today would have chosen such a program. At the time, it was customary. On the one hand, the Requiem still lacked the 5th movement (Ihr habt nun Traurigkeit), on the other hand, there were interpolations of works by other composers in the middle and at the end. The solo violin was played by Joseph Joachim. His wife Amalie sang the arias, which were an obligatory part of Good Friday concerts at the time.

The booklet accompanying the album contains detailed information on the Requiem, which is intended to proclaim the promise of resurrection as consolation music and not, as in Catholic settings, the horrifying vision of the Dies irae. There are in-depth explanations of the program of the time as well as the libretto and information on the performers.

Nagano chose the same program for his reconstruction of this event. Unlike back then, however, it is played on today’s instruments and the new performance took place in Hamburg in the Elbphilharmonie, not in Bremen Cathedral.

The six movements heard here are all a little shorter than in many recordings. But Nagano is such a good conductor that he gives the music the space and development time it needs. Together with his musicians, he creates an almost striding, yet breathing and well-proportioned performance in which the internalized and meditative aspects blossom perfectly. In the fast passages, they also bring the music to the ear in a meaningful and dramatic way. In this way, they achieve an overall effect that expresses the spiritual dimension.

The Hamburg Philharmonic State Orchestra, the city’s second major orchestra alongside the Elbphilharmonie Hausorchester, is perfectly attuned to its conductor and follows his ideas with fine and sensitive playing. This ensemble is a noteworthy example of the great quality of the breadth of the cultural landscape in Germany, away from event-driven events.

The various choirs rehearsed by Jörn Hinnerk Andresen give the sound a sublime fullness, which nevertheless does not become an amorphous mass. On the contrary, the Tutti singers captivate with their impeccable homogeneity and intonation and, like the two vocal soloists, with their extremely good articulation, which makes reading the accompanying texts superfluous. This also applies to the two excerpts they sang from Handel’s Messiah in Mozart’s version.

In the Brahms piece, Jóhann Kristinsson brings his baritone to great effect. With his beautiful and sensitive bright voice, he succeeds in creating a convincing vocal line.

As the fifth movement of the Requiem is not performed, mezzo-soprano Kate Lindsey only comes into her own in the arias ‘Erbarme dich’ from Bach’s St. Matthew Passion and ‘Ich weiß, dass mein Erlöser lebet’ from Handel’s Messiah. She tackles the works with both sensitive and technically clean interpretations. As soon as she gives her voice a little more pressure, a slightly sharp character creeps in, giving the two simple arias, especially the pleading tone of the Passion, a too demanding character.

The movements set for violin and organ by Thomas Cornelius are performed by him on the keyboard and by violinist Veronika Eberle. The adaptation and balanced playing make these contributions atmospheric elements. Veronika Eberle also complements the violin solo in the aria from the St. Matthew Passion in a modestly sonorous and eloquent manner.

One can certainly discuss the idea of reproducing the premiere concerto, but then also choosing new elements such as the present arrangements of the violin works. However, if one takes a fundamentally positive view of this idea, then this is a very successful interpretation that one can follow with pleasure.

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