Giuseppe Verdi: Il Trovatore; Dirigent und Regisseur: Herbert von Karajan; Mit Placido Domingo, Raina Kabaivanska, José van Dam, Piero Cappuccilli (Live 05/1978 -151')
Georges Bizet: Carmen; Dirigent Carlos Kleiber; Regisseur: Franco Zeffirelli; Mit Placido Domingo, Elena Obraztsova, Isobel Buchanan & Yuri Mazurok (Live 12/78 -154’)
Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni; Riccardo Muti; Regisseur: Roberto de Simone; Mit Carlos Alvarez, Adrianne Pieczonka, Angelika Kirchschlager, Ildebrando d'Arcangelo (Live 06/1999 – 173')
Giacomo Puccini - Turandot; Dirigent: Lorin Maazel; Regisseur: Harold Prince; Mit Eva Marton, José Carreras, Katia Ricciarelli (Live 1983 - 139')
Georg Friedrich Händel - Alcina; Dirigent: Marc Minkowski; Regisseur: Adrian Noble; Mit Anja Harteros, Vesselina Kasarova & Les Musiciens du Louvre Grenoble (Live 2010 – 226')
Richard Strauss – Elektra; Dirigent Claudio Abbado; Regisseur: Harry Kupfer; Mit Cheryl Studer, Brigitte Fassbaender, Eva Marton, James King, Franz Grundheber (Live 1989 – 109')
Richard Wagner - Lohengrin; Dirigent: Claudio Abbado; Regisseur: Wolfgang Weber; Mit Cheryl Studer, Placido Domingo, Robert Lloyd, (Live 1990 – 219')
Richard Strauss – Ariadne auf Naxos; Dirigent: Christian Thielemann; Regisseur: Sven-Eric Bechtolf; Mit Johan Botha, Sophie Koch, Soile Isokoski, Jochen Schmeckenbecher, Daniela Fally (Live 2014 – 141')
11 DVDs Arthaus Musik 109395; Bild 16:9 & 9:4; Stereo & Surround (1300')

Um 150 Jahre Wiener Staatsoper zu feiern hat Arthaus Musik aus seinem Katalog eine Festbox mit acht Opernaufnahmen zusammengestellt, die vormals bereits einzeln erschienen waren. Warum neben vielen Juwelen eine extrem schwache Turandot ihren Weg in die Box fand, ist nicht zu verstehen. Aber die restlichen sieben Produktionen sind sehenswert.

Karajans Wiener Trovatore

(Rezension von Remy Franck) – Als Herbert von Karajan 1978 an der Wiener Staatsoper Verdis Trovatore dirigierte, hatte es im Vorfeld Schwierigkeiten und Terminverschiebungen wegen des Ausfalls von Franco Bonisolli gegeben. Er wurde durch Placido Domingo ersetzt. Doch als der Maestro nach seinem bereits ungewöhnlich lautstark bejubelten Auftritt den Taktstock hob, war der ganze Vorbereitungsstress gewichen und es kam eine Opernaufführung zustande, wie sie nicht oft realisiert werden kann, eine Vorstellung, durchzogen von einem großen Atem, einem Musikfluss, der die ganze Souveränität von Karajans, des Ensembles, der Chöre und des Orchesters zum Ausdruck bringt, wo niemand mit seiner Technik oder seinen stimmlichen Mitteln ringt, sondern sich hundertprozentig in den Dienst der Sache stellt und sich auch in den Händen des Dirigenten gut aufgehoben fühlt.

Besonders herausgestrichen werden sollen die grandiose Fiorenza Cossotto, welche die Azucena besonders intensiv darstellt, und Placido Domingo, der den Manrico ganz ausgezeichnet singt.

Kleine Präzisionsmängel fallen bei einer solchen Vorstellung nicht ins Gewicht. Der unbeschreibliche Jubel des begeisterten Publikums, der im Übrigen sichtbare Emotionen bei den erfolgsgewohnten Künstlern auslöste, sagt denn auch schon genug aus über den Rang dieser Interpretation, die auch über vierzig Jahren nach dem Event den Glanz einer überragenden Opernvorstellung ins unser Wohnzimmer bringt und von der einzigartigen Ausstrahlung der Dirigentenpersönlichkeit Herbert von Karajans zeugt.

Kleibers Wiener Carmen

(Rezension von Alain Steffen) – Aufnahmen mit Carlos Kleiber haben immer Kultstatus, obwohl ich diese Kleiber-Hysterie manchmal nicht nachvollziehen kann. Hört man sich seine Operneinspielungen an, so bewies der Dirigent mehr als einmal eine schlechte Hand bei der Auswahl seiner Sänger und er lässt diesen so manches durchgehen, was künstlerisch nicht zu vertreten ist. Das beste Beispiel dafür ist der sterile Tristan mit Kollo und Price, aber auch über seinen Freischütz und seine Fledermaus (CD und DVD) kann man streiten. So bleibt auch diese Carmen aus der Wiener Staatsoper in so mancher Hinsicht diskutabel. Etwas steht aber von Anfang an klar: Kleiber ist der absolute Star dieser Produktion, er führt die Wiener Philharmoniker zu einem musikalischen Höhenflug, von dem die Musik der Carmen nur profitiert. Elena Obraztsova ist eine gute Carmen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Placido Domingo ist ein kraftstrotzender, aber wenig subtiler Don José, der erst im letzten Akt vollends überzeugen kann. Escamillo wird von dem erstaunlich lyrischen Yuri Mazurok sehr schön, aber leider an der Person vorbei gesungen. Einzig Isabel Buchanan kann sich als wunderbare Micaëla durchsetzen und begeistert mit einer sehr differenziert geführten Stimme und einem anmutigen Timbre. Die übrigen Sänger, unter ihnen Kurt Rydl als Zuniga und Heinz Zednik als Remendado entsprechen dem Niveau der Wiener Staatsoper. Zeffirellis Inszenierung hat über 25 Jahre nach ihrer Premiere deutlich Staub angesetzt, bietet aber immerhin noch gute Oper im klassischen Sinne.

Hörens- und sehenswerter Don Giovanni

(Rezension von Guy Wagner) – Diese Inszenierung von Roberto de Simone versucht es mit Zeitlosigkeit oder vielmehr einer Wanderung durch die Zeiten und Epochen, um so die Figur des Verführers zum Archetypen zu machen. Auch die anderen Figuren werden zu Repräsentanten ihrer Gesellschaft, wobei die Sympathie des Regisseurs zweifellos ‘den kleineren Leuten’ gilt, die weit liebevoller gezeichnet sind.  Gekonnt ist seine Personenführung, und als Beispiel möchte ich die berühmte und beachtlich gemachte Verführungsszene Don Giovanni – Zerlina hervorheben.  Anderes ist nicht ganz so überzeugend, aber es bleibt im Ganzen eine kohärente Inszenierung.

Überzeugend ist die Fernsehregie von Altmeister Brian Large, der immer wieder durch die Kameraführung das ‘Innenleben’ der Figuren offen legt. Überzeugend ist auch Riccardo Muti als Dirigent. Ich muss gestehen, dass ich nie ein großer Anhänger des Italieners gewesen bin, aber was Muti hier an Elan, Dynamik, Drive und zugleich Feinheiten und Klangwärme hervorzaubert, verdient Bewunderung und Anerkennung.

Nicht weniger überzeugend sind die Interpreten: Carlos Alvarez in der Titelrolle hat verführerischen Charme, und seiner warmen Stimme zuzuhören ist ein wahrer Genuss. Ildebrando d’Arcangelo stellt die Figur des Leporello für einmal nicht als Feigling und Angsthasen vor, sondern als einen Menschen voll Zweifel, der aber aus eigenen Kräften nicht imstande ist, sich von seinem Herrn zu trennen. Michael Schade ist für einmal auch nicht der weinerliche, sich verzehrende Don Ottavio, der nicht vom Rockzipfel seiner Donna Anna loskommt, sondern ein Mensch mit Charakter und Noblesse, der dazu herrlich singt (Dalla sua pace). Auch Lorenzo Regazzo als Masetto und Franz-Josef Selig als Commendatore fühlen sich bestens in ihren Rollen. Die drei Frauenpartien sind ebenfalls hervorragend besetzt. Adrianne Pieconka als Donna Anna ist für einmal keine rasende Furie, sondern hat durchaus menschliche Züge; Anna Caterina Antonacci als Donna Elvira bringt überzeugend Verzweiflung und letzte Hoffnungen, den Geliebten doch noch wiederzugewinnen, zusammen, während Angelika Kirchschlager als Zerlina ganz einfach wunderbar in Spiel und Gesang ist. Alle werden zudem optimal von den Wiener Musikern in dieser hörens- und sehenswerten Produktion unterstützt.

Corpus Delicti

(Rezension von Remy Franck) Wenn Sie erleben wollen, wie schlampig man 1983 in Wien eine Puccini-Oper aufführen konnte, dann ist dies ein ideales Corpus delicti. So falsch wie hier gesungen wird, so unpräzise Chöre, Solisten und Orchester sind, so approximativ alles klingt, ist das gleichbedeutend mit tiefster Provinz. Carreras ist unausgeglichen und nie wirklich gut, Ricciarelli dünn und unsicher, Marton fahl, Maazel dirigiert lustlos….

Energievolle Alcina unter Minkowski

(Rezension von Remy Franck) – Nicht das Wiener Staatsopernorchester, sondern Marc Minkowskis Les Musiciens du Louvre spielen in Adrian Nobles Produktion von Händels Alcina. Ein ebenso stilvolles wie farbiges Bühnenbild gibt den Rahmen ab für eine sehr lebendige und originelle Inszenierung. Die Besetzung ist ebenfalls hochkarätig. Anja Harteros ist eine brillante Alcina, Veronica Cangemi ist überzeugend als Alcinas Schwester Morgana, während Vesselina Kasarovas den Ruggiero hinreißend singt und darstellt. Die schlanke Mezzostimme von Kristina Hammerström eignet sich bestens für die Rolle des Bradamante, und der junge Alois Mühlbacher ist absolut faszinierend in der Knabenrolle des Oberto.

Dass die Stimmen aber letztlich so gut wirken liegt auch an dem spannungsvollen und immer wachen Dirigat von Marc Minkowski.

Hervorragende Elektra

(Rezension von Remy Franck) – 1989 dirigierte Claudio Abbado an der Wiener Staatsoper eine Elektra mit vorzüglicher Besetzung in der packenden Regie von Harry Kupfer und dem nicht weniger eindrucksvollen Bühnenbild von Hans Schabernoch. Die vorliegende DVD zeigt diese hochdramatische und grandiose, im Einklang mit der Musik inszenierte und verfilmte Opernaufführung.

Claudio Abbado lässt das Orchester in kalten, schauererregenden Farben musizieren und stützt die Sänger dabei auch noch erstaunlich gut. Eva Marton singt und spielt die rachsüchtige Atridentochter Elektra mit pathologischer Leidenschaft. Herausragend auch die Klytämnestra Brigitte Fassbaenders: sie vergegenwärtigt nicht so sehr Dekadenz als vielmehr eine durch Gewissensbisse geplagte, zutiefst unruhige Frau – und entspricht damit ausdrücklich den Vorstellungen des Komponisten.

Cheryl Studers fast schon transzendierte Chrysothemis ist ein weiteres Plus der Aufführung. Die beiden Männer, James King und Franz Grundheber erreichen beide nicht das Niveau der Sängerinnen, sind jedoch weitgehend akzeptabel in ihren respektiven Rollen. Ein phänomenales Operndokument, das dem Zuschauer die schwierige Oper Elektra auf packende Art und Weise nahe bringt.

Domingo als Schwanenritter

(Rezension von Guy Wagner) – Man kann sich gewiss ‘progressivere’ Inszenierungen des Lohengrin vorstellen, immerhin aber nehmen Wolfgang Weber und seine Bühnenbildner Rudolf und Reinhard Heinrich Wagners Hinweis, die Handlung spiele in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, ernst, wie das Begleitbüchlein schreibt. In der Tat wird ein sehr dunkles, düsteres Mittelalter hier vorgestellt, und auch die Kostüme erscheinen ‘historisch’. Die Inszenierung versucht auch nicht, durch besondere Einfälle und Mätzchen sogenanntes Regietheater, wie man es schon bis zum Überdruss kennt, zu machen, sondern Musik in Bilder und Szenen umzusetzen. Das ermöglicht eine Dramaturgie, die sich an die Musik hält und sich von ihr aus entfaltet. Somit geht die Dramatik von der Gestaltung durch die Interpreten und von der Intensität der Leitung von Claudio Abbado aus, der hier erstmals Wagner in der Oper dirigiert hat.

Man darf davon ausgehen, dass der größte Anreiz, diese DVD zu kaufen, darin besteht, Placido Domingo, der bekanntlich eine echte Liebe für Wagner bewiesen hat, als Lohengrin zu hören. Die Rolle ist ihm vertraut, denn damit hat er, wie uns das Booklet ebenfalls mitteilt, 1968 als 27-Jähriger sein Debüt an der Hamburgischen Staatsoper gegeben. Nun, es gelingt ihm, sich gut zu behaupten, schon dadurch, dass er von den berühmt-berüchtigten drei Tenören doch der bei weitem Intelligenteste ist. Die nicht wenig zahlreichen und nicht unerheblichen Höhen gelingen ihm überraschend gut, wenn man auch manchmal die Anstrengung merkt, und er schafft es, dem strahlenden ‘Außerirdischen’ eine beachtliche Persönlichkeit zu geben.

Cheryl Studer als Elsa ist eine in jeder Hinsicht gleichwertige Partnerin, die ihre schwierige Partie mit schöner lyrischer Intensität gestaltet. Den stärksten Eindruck aber macht Hartmut Welker als Telramund. Man glaubt ihm seine Rolle, denn seine schauspielerische Leistung ist so überzeugend, wie seine hell timbrierte, kraftvolle Baritonstimme schön ist. Gleiches gilt auch für Robert Lloyd als König Heinrich und Georg Tichy als Heerrufer. Stimmlich grell und schauspielerisch geradezu unbeholfen wirkt allerdings Dunja Vejzovic als Ortrud, die ein bedenklicher Schwachpunkt in dieser ansonsten homogenen Besetzung ist.

Überzeugend ist hingegen Claudio Abbado. Er hat ein feines Gespür für die klanglichen Schönheiten der Musik und die Dramatik, die sie birgt. Er schafft Spannungen, die das Orchester der Wiener Staatsoper – eigentlich die Wiener Philharmoniker – ausgezeichnet, da voll Klangschönheit und Dynamik, umsetzt. Der große Chor trägt zur Intensität der Darbietung bei, und Brian Larges Kameraführung spiegelt das Geschehen mit bewährter Meisterschaft wider. Fazit: ein Lohengrin mit einigen Schwachstellen, der sich aber hören und sehen lässt.

Exzellente Ariadne auf Naxos unter Thielemann

(Rezension von Remy Franck) – Ariadne auf Naxos, eine der originellsten Opern des frühen 20. Jahrhunderts, ist hier in einer intelligenten und humorvollen Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf zu sehen.

Musikalisch wird Erstklassiges geboten. Christian Thielemann gelingt es, die Strauss-Partitur auf schönste Weise auszuleuchten und sie hier mit größter Zartheit und Sensibilität, dort mit opulenten Klanglust wiederzugeben.

Sängerisch überzeugt in erster Linie Soile Isokoski in der Titelrolle mit ihrer ungemein warmen und reichen Stimme. Brillant ist ebenfalls Sophie Koch als  Komponist, exzellent auch Daniela Fally als Zerbinetta. Peter Matic findet den richtigen, also etwas arroganten als Haushofmeister. Johan Botha gestaltet die Partie des Bacchus sehr intelligent, und alle weiteren Rollen, selbst die kleinsten, sind hochkarätig besetzt.

 

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