Das Adelphi Quartett mit Maxime Michaluk (Violine I / Belgien), Esther Agusti Matabosch (Violine II / Spanien), Adam Newman (Viola / England) und Nepomuk Braun (Violoncello / Deutschland) ist eines der jungen aufstrebenden Quartette. Remy Franck hat sich mit den vier Musikern unterhalten.

Adelphi Quartett

Ihr Quartett wurde vor 7 Jahren gegründet. Ist 2024 das verflixte siebte Jahr? Ist die Begeisterung noch immer so groß wie am Anfang?
Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug, wenn man in einem Quartett spielt. Unsere Konstellation ist dabei besonders spannend und macht sehr viel Spaß. 2024 mag unser siebtes Jahr sein, und wir hoffen, dass uns noch viele gemeinsame Jahre bevorstehen. Es gibt so viel Repertoire für Streichquartett zu entdecken, so viele Projekte, die wir gerne in Angriff nehmen würden – selbst ein Leben würde nicht dafür ausreichen. Wir haben eine Liste mit Streichquartetten, die wir gerne spielen möchten, und im Moment umfasst sie 52 Werke! Jeden Monat kommt ein neues hinzu… Unsere Begeisterung ist nach wie vor ungebrochen und wächst weiter!

Was hat sich verändert in den 7 Jahren?
Wir denken, dass wir uns alle musikalisch stark weiterentwickelt haben. Am Anfang haben wir dank der Wettbewerbe eine solide Grundlage geschaffen, indem wir uns technisch als Quartett verbessert, uns besser kennengelernt und angefangen haben, unseren eigenen Stil zu entwickeln. Wir hatten auch hervorragende Mentoren, die uns sehr inspiriert haben. In den letzten Jahren sind wir in eine zweite Phase eingetreten, in der wir uns mehr auf die Schaffung eigener Projekte und Programme konzentrieren. Im letzten Jahr waren unsere Proben eine Art Labor, in dem wir unseren eigenen Weg gefunden haben, Dinge zu tun und heraus zu finden, was funktioniert und was nicht. Dasselbe gilt für die Konzerte; wir haben die Möglichkeit, auf der Bühne zu experimentieren, was für ein junges Quartett von unschätzbarem Wert ist!
Natürlich sind wir auch als Menschen stark gewachsen. In einem Quartett zu sein und eng mit drei anderen, sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten, hat uns gelehrt, miteinander umzugehen und das Beste aus uns selbst und unseren Kollegen herauszuholen. Wir haben unsere eigenen Stärken und die unserer Mitspieler entdeckt und sie maximiert.

Woher kommt eigentlich der Name Adelphi?
Adelphi stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet’ Geschwister’. Für uns symbolisiert dieser Begriff die Verwandtschaft, die wir als Quartett empfinden – ein starkes Gefühl von Einheit und gegenseitiger Unterstützung. Diese Bedeutung passt perfekt zu uns, da sie die enge Bindung und Harmonie widerspiegelt, die wir als Ensemble täglich erleben. Wir interagieren wie ein Team, wie eine Familie.

Sie spielen ja schon recht viel. Bleibt da noch Zeit für individuelle Projekte der Mitglieder?
Wir versuchen, ein gesundes Gleichgewicht zwischen unserem Quartettleben, individuellen Projekten und unserem Privatleben zu wahren. Die Aktivität des Quartetts ist oft sehr intensiv, und manchmal brauchen wir eine Pause davon.
Wir bemühen uns stets, neugierig und inspiriert zu bleiben und neuen Ideen in die Proben und Konzerten zu bringen.
Aus unserer Erfahrung glauben wir, dass es der Kreativität förderlich ist, sich mit verschiedenen Musikrichtungen zu beschäftigen und gemeinsam mit anderen Musikern zu musizieren.

In diesem Jahr debütieren Sie beim Lucerne Festival. Was bedeutet das für Sie?
Für uns ist es eine überaus große Ehre, unser Debüt beim Lucerne Festival geben zu dürfen. Für uns haben alle Erstaufführungen in neuen Spielstätten etwas Besonderes. Es ist wie eine Vorstellung vor einem neuen Publikum, das uns vielleicht zuvor noch nie gehört hat. Besonders bei einem solch renommierten Festival, das eine so bedeutende Rolle in der Welt der klassischen Musik spielt. Wir sind wirklich dankbar für diese uns jetzt gegebene Gelegenheit.

Sie spielen dort ein neues Werk von Tom Coult. Wieso er?
Dank der großzügigen Unterstützung von Neustart Kultur konnten wir neue Werke für die kommenden Saisons in Auftrag geben. Auf der Suche nach einem englischen Komponisten, da uns die Tradition der britischen Musik fasziniert, hörten wir Coults erstes Quartett. Wir waren sofort überzeugt, dass er für unser Quartett ein innovatives Werk schreiben könnte. Nun freuen wir uns sehr auf die Uraufführung dieses Stücks beim Lucerne Festival.

Wie ist Ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musik? Was erwarten Sie von einem neuen Stück und was darf es keinesfalls sein?
Zeitgenössische Musik ist ein wichtiger Teil unseres Lebens als Streichquartett. Es ist von grundlegender und essentieller Bedeutung für uns, Komponisten und Stücke aus unserer Zeit und aus verschiedenen Kulturen zu entdecken, kennenzulernen und in unser Programm zu integrieren. So entwickeln wir uns stetig weiter und können für uns ein einzigartiges und vielseitiges Repertoire kreieren.
Zeitgenössische Musik kann alles sein – das ist das Schöne daran – alles ist möglich. Wir stellen an zeitgenössische Werke die gleichen Ansprüche wie an jene von Haydn oder Beethoven. Unser Bestreben ist es, jedes Stück in seiner Tiefe zu verstehen, seine Botschaft und Geschichte zu erfassen, um sie dann unserem Publikum auf eine authentische Weise zu vermitteln.

Und was sehen Sie als Ihr Kernrepertoire an?
Wir fühlen uns am wohlsten und leidenschaftlichsten, wenn wir Haydn-Streichquartette spielen. Wir empfinden eine starke Verbindung zur Sprache seiner Musik. Darüber hinaus begeistern uns auch die Komponisten der Renaissance, wie Orlando di Lasso, Josquin des Prez und Dufay, sowie aus dem Barock wie Bach und Purcell.
Der Ursprung der vier unabhängigen Stimmen eines Ensembles gehen weiter zurück, als das, was wir heute als Streichquartett kennen. Diese Form wurde von Haydn geprägt. Unser Verständnis für Musik stammt aus dem, womit einige Komponisten bereits im 15. Jahrhundert experimentierten: die Beziehung zwischen den vier Stimmen zueinander, ihren Spannungen und ihren Auflösungen.
Selbstverständlich schätzen wir u.a. die Meisterwerke von Beethoven, Schumann, Schubert. Wir sind auch sehr daran interessiert, weniger bekannte Meisterwerke für uns zu erschließen, die oft im Schatten des Hauptrepertoires verborgen sind. Wir denken hier die die Werke von Weinberg, Gounod, Le Beau und Kurtag. Außerdem ist es unser Ziel, aktiv zur Zukunft der Musik beizutragen, indem wir neue Stücke in Auftrag geben und öffentlich machen/aufführen/dem Publikum zugänglich machen.

Von welchem, Komponisten der Vergangenheit würden Sie gerne ein Quartett spielen, wenn er denn eins komponiert hätte?
Mahler! Es wäre herausragend gewesen, wenn er ein Quartett geschrieben hätte.

Lucerne Festival
Adelphi Quartet
Di 10.09. | 12.15 Uhr | Lukaskirche
Haydn | di Lasso | Britten u.a.

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