Rossini hat für diese Oper Passagen aus früheren Werken recycelt. Diese Vorgehensweise, das vom Barock an gehandhabt wurde, war geeignet, schnell neue Kreationen schaffen, die gleichzeitig altes verwerteten und dem Publikum trotzdem neue Musik boten, da es diese nicht kannte oder vergessen hatte. Man mag die Nase rümpfen ob dieser Vorgehensweise, wie sie auch Händel bei Rinaldo verwendete, den er in London mit in Italien geschaffen Versatzstücken schuf. Erst in der Romantik mit ihrem genialischen Anspruch der inspirierten Schöpfung wurde dem der Garaus gemacht. Seitdem ist Centone, so der musikalische Fachbegriff für diese Handhabung, verschrien. Aber wer diese Oper unvoreingenommen annimmt, wird feststellen, dass dieses Vorgehen für die hier erzählte Handlung trotzdem ein zusammenhängendes Werk mit Form und Reiz geschaffen hat. Es ist unterhaltend und bietet Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit, ihr Talent zu zeigen.
Das Geschehen spielt in Schweden. Cristina, die Tochter des schwedischen Königs Carlo hat sich heimlich mit dem erfolgreichen Feldherrn Eduardo vermählt. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, Gustavo. Ihr Geheimnis kommt ans Licht, als Carlo Cristina dem schottischen Prinzen Giacomo zur Frau geben will. Er verurteilt Cristina, Eduardo und Gustavo zum Tode. Um sie zu retten, will Giacomo sie weiterhin ehelichen,– aber Cristina lehnt dies ab. Als Feinde die Stadt bedrohen, wird Eduardo von seinem Freund Atlei aus dem Gefängnis befreit und an die Spitze der Verteidiger berufen. Der Sieg gelingt. Anschließend schwört Eduardo Carlo seine Treue. Carlo vergibt ihm und akzeptiert seine Ehe mit Cristina.
Die Aufnahme der konzertanten Aufführung beim Rossini Festival in Bad Wildbad, schon die zweite dort, liefert eine schöne Darstellung, die die Stärken der Partitur mit Schwung und gestalterischer Freude herausarbeitet. Mit Gianluigi Gelmetti steht auch ein erfahrener Operndirigent, zumal dem italienischen Metier verbunden, am Pult, der mit sicherer, aber auch die Luftigkeit zulassender Hand durch die zweieinhalb Stunden führt. Das Orchester aus Brno nimmt sich des Dirigats mit handfestem Ton an.
Überzeugend auf Sängerseite ist bereits der Kammerchor aus Posen, der sich seinen Aufgaben mit homogenem und zwingendem Klang erfreulich stimmungsvoll annimmt. Doch auch die Solisten können sich mit gesanglich erfreulichen Beiträgen hervortun. Die Abrundung nach unten findet sich bei Silvia Dalla Benetta, die alles in allem die Hauptrolle der Cristina mit erfüllender Rollendisposition singt. Allerdings zeigen sich bei ihr angestrengte Momente vor allem in den höheren Lagen, wo sie etwas dumpf und mühsam klingt. Aufs Ganze gesehen bieten sie und alle anderen ausgewogen gute Leistungen, mit denen sie ihre Rollen mit lebendiger Frische und gepflegter Technik präsentieren.
Dadurch findet diese Oper, die zu den kaum bekannten der rund 40 Opern von Rossini gehört, eine erfreuliche Bereicherung des Repertoires nicht nur für Freunde dieses Komponisten.