Mit Ludwig van Beethovens Kreutzer-Sonate in einer anonymen Bearbeitung für Streichquintett begann das letzte Konzert des ‘Alpenarte’-Festivals in Schwarzenberg, Bregenzerwald. Remy Franck berichtet von einem ganz besonderen Konzertabend.
Das Arrangement der original für Violine und Klavier komponierten Kreutzer-Sonate für Streichquintett in der Besetzung mit zwei Celli wurde 1832 im Bonner Verlag Simrock veröffentlicht. Der Bearbeiter hat den Part der Ersten Geige weitgehend unangetastet gelassen und die Klavierstimme auf die vier anderen Instrumente verteilt. Es ist eine durchaus interessante Fassung, die mit Yury Revich und Sara Domjanic an den Geigen, Timothy Ridout an der Bratsche und den Cellisten Benedict Kloeckner und Jacob Shaw ein engagiert musizierendes Ensemble hatte. Die fünf Musiker fielen über die Noten her, als hatten sie schon tagelang keine mehr bekommen. Dem entsprechend musizierten sie in einem richtigen Strudel der Gefühle.
Im dunkel gefärbten Adagio sostenuto und dem furiosen Presto kam es zu leidenschaftlichem Interpretieren von höchster expressiver Kraft. Sehr inspirierend war das Andante con variazioni mit seinen abrupten Stimmungsschwankungen, die den anmutigen und verspielten Teilen von kindlicher Unschuld triste Gedanken einer verlorenen Kindheit gegenüberstellten. In der Adagio-Variation gelang den fünf Musikern ein hinreißend lyrisches Spiel, bei dem sich Timothy Ridout und Benedict Kloeckner mit den schönsten Kantilenen besonders auszeichneten. Ridout entlockte seiner Bratsche dabei wirklich hinreißende Töne.
Die anschließende Tarentella war voller Vitalität und Drang, und das Quintett reizte alle darstellerischen Möglichkeiten mit einem den Klang sehr differenzierenden Spiel aus, mit zwei schön voneinander abgehobenen Geigen und genauso unterschiedlichen Farbwerten bei den Celli. Eine großartige, frische und spannende Interpretation, die vom Publikum stürmisch gefeiert wurde!
Der zweite Teil gab noch einmal allen Teilnehmern der zweiten Ausgabe des ‘Alpenarte’-Festivals Gelegenheit, ihr Talent unter Beweis zu stellen.
Begleitet von Max Volbers am Cembalo zeigte die italienische Gambistin Maddalena Del Gobbo sich als eine emotional involvierte Interpretin in zwei Auszügen einer Sonate von Carl Friedrich Abel. Die Pianisten Levon Avagyan und Francois Xavier Poizat begeisterten das Publikum mit zwei Duos von Haydn und Mozart, während Yury Revich und Sara Domjanic, am Klavier begleitet von Levon Avagyan, drei kurze Stücke von Shostakovich spielten, überaus ausdrucksvoll und in der Polka auch richtig keck.
Timothy Ridout und Jacob Shaw waren die Streicher in ‘Gestillte Sehnsucht’ von Johannes Brahms, ein Werk, das hinreißend gesungen und voller Zärtlichkeit gestaltet wurde. Am Klavier begleitete der hoch sensible Levon Avagyan.
Ein richtiges Lieblingsstück des Publikums wurden Nicolo Paganinis Bravour-Variationen für die G-Saite über ein Thema aus der Oper ‘Moses in Ägypten’ von Gioacchino Rossini, in denen Benedict Kloeckner absolut faszinierend spielte und seinem Cello Töne entlockte, die man kaum für möglich gehalten hätte, weil er nicht nur in tiefen Lagen Kraft entwickelte, sondern bis zur fistelhaften ‘Kopfstimme’ des Instruments vordrang.
Ein anderer Programmpunkt war eine absolute Revelation und eine Weltpremiere zugleich: ‘3 Lyrische Stücke’ von Edward Grieg, in denen sich das ‘Duo Aliada‘ mit dem polnischen Saxophonisten Michal Knot und dem serbischen Akkordeonisten Bogdan Laketic weit vom Klavieroriginal entfernte und mit faszinierenden Paraphrasen dieses Werk für sich entdeckte. Der vorab etwas skeptische Rezensent ließ sich von den klanglichen Entdeckungen der beiden Spitzenmusiker anstecken, von ihrer Einfallskraft, ihrer Inspiration und ihren technischen Fähigkeiten. Und das kam sicher nicht nur durch das Virtuose, denn im zweiten Stück, ‘Heimweh’, erreichten beide eine emotionale Vertiefung, bei der einem fast der Atem stockte.
Dann trafen sich noch einmal alle Musiker mit Ausnahme der beiden Barockinterpreten zu einem grandiosen Piazzolla-Finale, mit dem das ‘Alpenarte’-Festival zu Ende ging. ‘Klassik neu erleben’ lautete das Motto, und das wurde von den jungen Musikern und ihrem ‘Intendanten in Residence’ Yury Revich zu hundert Prozent umgesetzt. Das Publikum im ausverkauften und akustisch wie optisch hervorragenden Angelika-Kaufmann-Saal bedankte sich mit langanhaltendem Applaus.