Dies ist die zweite Einspielung der zweiaktigen Oper ‘Doctor Atomic’. Sie entstand unter der Leitung des Komponisten John Adams. Die Aufnahme des im postminimalistischen Stil gehaltenen Werks präsentiert erneut Gerald Finley in der Rolle des Robert J. Oppenheimer. Das Werk befasst sich mit emotionalen Spannungen und Ängsten der am Manhattan-Projekt Beteiligten während der Vorbereitungen zum Test der ersten Atombombe. Die Konzeption ähnelt früher entstandenen Adams-Opern; der Komponist erkundet Charaktereigenschaften und Persönlichkeiten der Schlüsselfiguren eines historischen Ereignisses. Die Geschehnisse selbst rücken in den Hintergrund.
Die Handlung der zweiaktigen Oper spielt etwa einen Monat vor dem ersten Atombombentest und am Morgen des Tests. Sie konzentriert sich auf Robert Oppenheimer und General Leslie Groves sowie auf Oppenheimers Frau Kitty und deren Ängste über die Tätigkeit ihres Ehemanns.
Adams stellt teilweise ein stark verlangsamtes Zeitempfinden der Protagonisten dar, das in scharfem Kontrast zur hektischen Betriebsamkeit auf dem Testgelände steht. Die Oper endet im letzten, stark in die Länge gezogenen, Moment vor der Explosion der Bombe.
Adams und sein Librettist Peter Sellars leuchten den US-amerikanischen Physiker Robert Oppenheimer psychologisch tief aus und nicht stellen ihn nicht klischeehaft als modernen Doktor Faust dar.
Vor allem im ersten Akt gelingt es Adams sehr überzeugend, die tiefgehenden Emotionen und Gedanken der Protagonisten mit tiefschürfender Musik zu beleuchten. Im zweiten Akt gelingt diese Erforschung mittels Komposition nicht ganz so intensiv. Insgesamt aber gehört diese Oper aber sicher zu den hörenswerten Arbeiten des früher rein minimalistisch arbeitenden Schöpfers. Die seltsame Intensität der Poesie des Librettos ist stark, der Sturz von Erotik und Morbidität evokativ. Sie vermittelt das Gefühl, dass die Bombe diese Charaktere und ihre Beziehungen verunreinigt hat. Die Musik wirkt wie eine stetige Verknotung des Magens.
Gerald Finley in der Rolle Oppenheimers schafft für seine Darstellung eine einzigartig verwundete Autorität. Seine Frau Kitty, hier von Julia Bullock dargestellt, kann mit ihrer waghalsigen Dornigkeit und einem gleichzeitig warmen Timbre eine sehr komplexe Gattin gestalten. Doch auch die anderen Sänger tragen zu einem überzeugenden Gelingen bei. Auch sie hinterlassen mit kräftigen Eindrücken ihre Spuren im Gesamtbild. Nicht zu vergessen ist der agile und charaktervoll singende Chor.
Adams leitet das BBC Symphony Orchestra elegant, spannend und auch stringent.