Man ist ja stets geneigt, bei einer CD-Aufnahme zuvorderst Güte und Originalität der Interpretation zu würdigen. Dabei findet (wenn es nicht gerade rauscht und knistert) die gerade für die Produktion doch so unglaublich wichtige Arbeit der Tonmeister nur selten Beachtung. Hier jedoch sei Jean-Daniel Noir in einem Atemzug mit den Interpreten genannt und gelobt, denn die technische Qualität dieser Aufnahme ist einfach grandios. Achten andere neben der Transparenz auf eine gewisse Raumwirkung, gibt einem diese Wiedergabe von Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts das Gefühl, nicht nur mitten im Ensemble, sondern quasi mitten im Resonanzraum von Gambe, Geige, Gitarre und Cembalo zu sitzen!
Dadurch erlebt man diese Musik buchstäblich hautnah und hört Monteverdi, Marini, Strozzi, Uccelini, Merula, Rognoni und Cavalli mit neuen Ohren – allesamt italienische Meister, die im 16. und 17. Jahrhundert lebten und wirkten. Dabei stößt man auf so manch unbekannte Perle, die sich einem durch das lebendige Spiel der Musiker sofort erschließt.
Das Ensemble ‘L’Estro d’Orfeo’, mit Lenor de Lera (Barockvioline und Leitung), Josué Meléndez (Zink), Rodney Prada (Viola da Gamba), Lucia Giraudo (Barockvioline), Josep Maria Martí (Theorbe und Barockgitarre) sowie Javier Núñez (Cembalo), spielt als lebendiger Organismus stets unglaublich intensiv und transparent mit einer Klangdichte, die fast schon etwas Körperliches hat.
Mit Monteverdis Sinfonia aus ‘Altri Canti d’Amor’ beginnt der Reigen und sofort ist man im Bann dieser Musik. Außerdem verblüfft: Wenn der Zink einsetzt, ist es einem fast, als höre man eine menschliche Stimme. Und in ‘L’Eraclito Amoroso’ bläst Josué Meléndez derart sinnlich, das man sofort einen anderen Bläser vor Ohren hat: Chet Baker! Derart aus der Vergangenheit in die Gegenwart gefallen ist auch der fünfte Track, in dem die Künstlerische Leiterin Leonore de Lera eine traumhafte, eigene Adaption einer Arie von Cavalli intoniert und dabei gleichsam im Beritt des Folk ‘wildert’.
Diese Kompilation erinnert an das, was Rolf Lislevand und Kollegen vor einigen Jahren (bei ECM Records) mit ihrer ‘Nuove musiche’ schafften: Sie zieht Alte Musik ins Heute und zeigt, wie reizvoll Barock sein kann, wenn man sich diesen Stücken voller Hingabe widmet und sie in verschiedenen Besetzungen pulsierend aufleuchten lässt. Einziger Knackpunkt: Bereits nach 50 Minuten ist Schluss. Hier wäre mehr mal wirklich mehr gewesen.