Der Begriff ‘Theater der Welt’ stammt aus dem 17. Jahrhundert und wird im übertragenen Sinn verwendet. ‘Theater der Welt’ (oder des Wissens) als katholische Doktrin meint Darstellung, Einsicht und Umgestaltung frühneuzeitlicher Wissensbestände zur Veranschaulichung. Die Inszenierung macht Wissen sicht- und erklärbar.
Der deutsche Universalgelehrte Athanasius Kircher war in dieser Zeit im Vatikan ein maßgeblicher Vertreter dieser Wissenschaftsinszenierungen. Zur Musik trug er in seiner ‘Musurgia Universalis’ eine Theorie vor, der zufolge es Aufgabe der Musik sei, verschiedene Zustände des Gemüts nachzuahmen, zu veranschaulichen sowie diese beim Zuhörer zu evozieren.
Über das Leben dieses Jesuiten hat Louis Andriessen ein groteskes Bühnenwerk in neun Szenen und einem Epilog verfasst und ‘Theater der Welt’ genannt. Das Libretto stammt von Helmut Krausser. Im Mittelpunkt steht Athanasius Kircher, dessen Leben in erfundenen Bildern dargestellt wird. Begleitende Personen sind sein Verleger, ein Junge, der Papst, eine Ordensschwester, der Henker von Rom, drei Hexen, ein junges Paar sowie Nachkommen in den Gestalten von Descartes, Goethe, Leibniz und Voltaire. Die Handlung spielt an diversen Orten wie Rom, auf dem Totenfluss Lethe, in Babylon und China, zu denen Kircher gedanklich oder real kommt. Im Epilog diskutieren die Nachkommen über die Bedeutung Kirchers. Den märchenhaften Geschehnissen entspricht die Musik, die von Renaissance und Barock bis hin zu Darmstädter Neuer Musik auch Jazz, mexikanische Folklore und andere Einsprengsel aufnimmt. Auch die Sprache ordnet sich den verschiedenen Menschen unter, so dass Latein, Deutsch, Englisch, Italienisch, Niederländisch und Spanisch gesungen wird.
Dieses Werk spiegelt die Vielseitigkeit des Universalgelehrten wider. Mit den wechselnden Stilen ist ein amüsantes Panoptikum entstanden, das mit seinen Wendungen immer wieder überrascht. Den diversen Anforderungen entspricht auch die Instrumentalbesetzung, die Saxophone, E-Bass und reichhaltiges Schlagwerk einbezieht.
Mit den Philharmonikern aus Los Angeles ebenso wie Reinbert de Leeuw, der sich als Dirigent für die zeitgenössische Musik positioniert hat, ist ein hervorragendes Fundament gelegt, um diese großangelegte Komposition wirkungsvoll zu bewältigen. Diesen Protagonisten gelingt das ausgezeichnet, da für beide die Darbietung moderner Partituren zum Alltag gehört.
Auch die Sängerriege kann sich hören lassen. Leigh Melrose gibt einen bejahrten selbstbewussten Athanasius, der sich seiner Leistungen bewusst ist, Lindsay Kesselman den wissbegierigen und hartnäckigen Jungen. Der beflissene Verleger wird von Steven Van Watermeulen eilfertig und geschäftstüchtig interpretiert. Marcel Beekman als ängstlicher und außerhalb seines Imperiums unsicher, Cristina Zavalloni als Sor Juana Inés als ihre Welt aus der Religion heraus betrachtende sowie die Hexen als missgünstige und in gewisser Weise auch hilfreiche Wesen füllen ihre Rollen pointiert aus. In kleineren Rollen der Henker, Er und Sie sowie die Nachkommen als Dichter und Philosophen runden die ausdrucksstarke Sängerriege ab.
Die Aufnahme hat schafft ein klares durchhörbares Klangbild, dass den Gesangssolisten den Vortritt lässt, ohne sie unangenehm in den Vordergrund zu spielen.