In jedem Jahr nominiert die 'European Concert Hall Organisation' talentierte Nachwuchsmusiker und ermöglicht Ihnen Auftritte in den besten Konzerthäusern Europas. Zu hnen gehört die französische Harfenistin Anaïs Gaudemard (*1991). Sie hat innerhalb kurzer Zeit mehrere Preise gewonnen, was ihr erlaubte mit namhaften Orchestern aufzutreten. Nach einer CD mit Harfenkonzerten von Ginastera, Debussy und Boieldieu erscheint jetzt ihre neue CD 'Solo'. Alain Steffen traf die Musikerin zu einem Gespräch.

Anaïs Gaudemard

Anaïs Gaudemard, die meisten jungen Musiker, die eine Solo-Karriere anstreben, entscheiden sich für Instrumente wie die Geige, das Cello oder das Klavier. Sie aber haben für sich die Harfe gewählt.
Ja, und ich bin sehr, sehr glücklich mit dieser Entscheidung. Eigentlich habe ich zwei Instrumente parallel studiert, die Harfe und das Klavier. Und irgendwann hat mein Bauchgefühl mir gesagt, dass die Harfe mein Instrument werden soll. Ich liebe ihren Klang und die Möglichkeiten, die die Harfe mir bietet. Und ich spürte mich selbst mit der Harfe immer ein bisschen wohler als jetzt mit dem Klavier. Harfe spielen ist für mich eine wirkliche Leidenschaft.

Obwohl das Repertoire kleiner und unbekannter ist und kaum sogenannte Publikumsrenner aufzeigt? Ist es denn nicht frustrierend, dass Sie all die wunderbaren Klassiker von Beethoven, Schubert, Chopin und Brahms nicht spielen können?
Eigentlich nicht (lacht). Ich habe ja Klavier gelernt und kann, wenn mir danach ist, durchaus eine Beethoven-Sonate oder eine Chopin-Nocturne spielen. Allerdings mache ich das dann für mich und nicht im Konzert. Als Harfenistin habe ich dagegen die Möglichkeit, in unbekannte Gebiete vorzustoßen, ein Repertoire hörbar zu machen, was das Publikum nicht kennt. Natürlich ist es auch toll, für mein Instrument transkribierte Klassiker zu spielen.

Anaïs Gaudemard

Wie ist es denn nun um das Harfenrepertoire bestellt?
Die Harfe hat sich eigentlich ab Mitte des 19. Jahrhunderts emanzipiert. Obwohl sie bereits vorher gespielt wurde. Das liegt daran, dass sich das Instrument selber so perfektioniert hat, dass es uns die vielen Möglichkeiten bietet, die wir heute kennen. Eigentlich beginnt die große Zeit der Harfe Anfang des 20. Jahrhunderts, wo viele Komponisten das Potential des Instruments neu entdeckten. Aber es gab schon eine goldene Ära der Harfe in der Zeit von Königin Marie-Antoinette, die selber auch für das Instrument komponierte. Marie-Antoinette gehörte schon in Wien zu den Schülerinnen des von ihr dann später an der ‘Opéra de Paris’ protegierten Christoph Willibald Gluck. In Versailles nahm sie Harfenunterricht. Darüber hinaus veranstaltete Marie-Antoinette Harfenkonzerte in ihrem Salon, was dann in dem Paris von 1760 zu einer deutlichen Zunahme der Harfenliteratur in Paris führte. Die Harfe wurde aber auch zum Symbol der gehobenen Gesellschaftsschicht und der Adligen. Und mit der französischen Revolution fand dann auch der Stellenwert der Harfe ihr Ende. Doch heute finden sich immer mehr Komponisten, die für die Harfe schreiben. Was mir als Interpretin dann auch ermöglicht, eng mit den Komponisten unserer Zeit zusammenzuarbeiten und neue Werke uraufzuführen.

Die Harfe, oder besser gesagt, ihre Vorgänger gab es aber schon 3000 v. Chr.
Tatsächlich stammt das Instrument ursprünglich aus Mesopotamien. Aber auch in Ägypten kam es damals schon vor. Das waren natürlich sehr primitive Varianten. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich die Harfe kontinuierlich weiter, bis sie Anfang des 20. Jahrhunderts als die sogenannte Konzertharfe eine Qualität erreichte, die wohl nicht mehr zu toppen ist. Was aber interessant ist, im Laufe der Jahrtausende gründete die Harfe quasi eine Familie mit vielen Cousins und Cousinen, die sich über die ganze Welt ausbreitete. Dazu gehören die Laute, die Zither, die Leier, die arabische Oud oder die keltische Harfe, die ja das Symbol von Irland ist. Harfenvarianten finden wir auch  in Russland, Afrika, Südamerika oder Afghanistan. Und wenn man das alles zusammenbringt, dann haben wir ein enorm vielseitiges und vor allem sehr reiches Repertoire.

CD-Rezension

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