(Remy Franck) – Coverfotos von CDs sind oft nichtssagend und so wenig attraktiv wie jenes, das diese neue Produktion von Pentatone ‘ziert’. Schlimmer noch, das abstrakte Bild steht im Gegensatz zu der sehr klaren, konkreten, bildhaften, tonmalerischen Interpretation, die den gedanklichen Hintergrund und das Nachdenkliche der Musik freilich nicht übersieht. Es gelingt Vladimir Jurowski wirklich gut, das Visuelle der Partitur sowie ihren gedanklichen Gehalt zu verbinden, einerseits mit einer musikalischen 4K-Verfilmung, die ungemein viele Details und damit das vielfältige Leben im Alpenraum Klang werden lässt, und andererseits mit einer Emphase, die die emotionalen Stimmungen erfahrbar macht.
Die Transparenz, die sicher vom Dirigenten inspiriert und dann von der Tontechnik im Surround-Klang optimal eingefangen wurde, bewirkt, dass man sich das Werk anhören kann, ohne die Kapitelüberschriften des Komponisten präsent zu haben: man findet immer noch heraus, was Richard Strauss gerade beschreibt. Die atmosphärische Dichte und die vielfältige musikalische Substanz, die hier vorherrschen, finden sich nicht in vielen anderen Aufnahmen. In gewisser Weise vergrößert Jurowski das Postkartenformat ins Geistige, was die Naturbeschreibung zu jener « Anbetung der ewigen herrlichen Natur » werden lässt, die Strauss sich ja explizit vorgestellt hat.
Cover photos of CDs are often meaningless and as unattractive as the one ‘adorning’ this new production by Pentatone. Even worse, the abstract image contrasts with the very clear, concrete, pictorial, tone-painting interpretation, which admittedly does not overlook the thoughtfulness of the music.
Vladimir Jurowski succeeds really well in combining the visual of the score as well as its intellectual content, on the one hand with a musical 4K filming, which brings many details and thus the manifold life in the Alpine region alive in a spectacular sound, and on the other hand with an emphasis, which makes the emotional moods tangible.
The transparency, surely inspired by the conductor and then optimally captured in the surround sound, has the effect that one can listen to the work without having the composer’s explanation present: one still finds out what Richard Strauss is describing. The atmospheric density and varied musical substance that prevail here are not found in many other recordings. In a sense, Jurowski enlarges the postcard format into the spiritual dimension, turning the description of nature into the « worship of eternal glorious nature » that Strauss explicitly envisioned.
(Guy Engels) – Geübte Bergwanderer wissen Risiken einzuschätzen, meiden sie vor allem, um in den vollen Genuss eines außergewöhnlichen Naturerlebnisses zu kommen. Dies scheint auch die Devise von Vladimir Jurowski gewesen zu sein, als er sich auf den Weg zu Richard Strauss’ Alpensinfonie machte. Jurowski geht es nicht um berauschende Panoramabilder und den unendlichen Horizont der bayerischen Alpen, der Dirigent hat Anderes im Sinn: die Zweischichtigkeit dieser Partitur zu ergründen.
« Ich will meine Alpensinfonie den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur. », notierte Richard Strauss während der Arbeit an dieser Tondichtung, die er inhaltlich an Also sprach Zarathustra rückt.
Vladimir Jurowski widersteht den Fallstricken der Strauss-Partitur, der Effekthascherei, zu der der Komponist mit Glockengeläut und Windmaschine geradezu verführt. Der Dirigent und das Rundfunksinfonieorchester Berlin verwehren uns das grandiose Naturschauspiel mit wunderbaren Klangfarben nicht. Aber immer wieder wird Jurowskis Blick analytisch, kammermusikalisch, wenn es um die Essenz dieser Musik geht. Dann spielt das RSB weiterhin sehr intensiv, verfeinert seinen Klang jedoch noch weiter, differenziert bis in die kleinste Felsritze dieser beeindruckenden Wanderung durchs Gebirge – durch Höhen und Täler menschlicher Gefilde.
Experienced mountain hikers know how to assess risks, avoiding them above all in order to fully enjoy an extraordinary experience of nature. This also seems to have been Vladimir Jurowski’s motto when he set out for Richard Strauss’ Alpine Symphony. Jurowski is not concerned with intoxicating panoramic images and the endless horizon of the Bavarian Alps; the conductor has other things in mind: to fathom the two-layered nature of this score. « I want to call my Alpine Symphony the Antichrist, as there is: moral purification by one’s own strength, liberation through work, worship of the eternal glorious nature, » Richard Strauss noted during the work on this tone poem, which he brings closer in content to Also sprach Zarathustra. Vladimir Jurowski resists the pitfalls of the Strauss score, the showmanship, to which the composer virtually seduces with bell ringing and wind machine. The conductor and the Berlin Radio Symphony Orchestra do not deny us the grandiose spectacle of nature with wonderful timbres. But very often Jurowski’s view becomes analytical, chamber-musical, when it comes to the essence of this music. Then the RSB continues to play very intensely, but refines its sound even further, differentiated down to the smallest crevice of this impressive trek through the mountains – through heights and valleys of human realms.