Nach 25 Jahren haben sich Gunar Letzbor und seine Freunde erneut der Rosenkranzsonaten von Biber angenommen. Mit den vielen Jahren an Erfahrung und einer intensiven neuen Auseinandersetzung mit diesen Kompositionen ist ein äußerst farbenreiches und teilweise unerwartet raues Klangbild zustande gekommen, das den Hörenden aber keine Sekunde in Langeweile und auch nicht ratlos zurücklässt.
Im informativen Beiheft erläutert der Geiger detailliert, welche Überlegungen und auch Vorbereitungen erforderlich waren, um dieses Ergebnis auch auf Seite der Voraussetzungen zu erfüllen. So behandelt er die Themen Klang, Instrumente, Stimmsystem, Aufnahme, Glaube und vierte Dimension.
Beim Klang spielt eine besondere Rolle, dass die Sonaten für skordierte Geige komponiert wurden. Das Umstimmen verträgt eine Geige nur, wenn sie mindestens 24 Stunden Zeit für die Anpassung hat. Da dieser Zeitraum wohl zu Zeiten Bibers hinsichtlich der Aufführungspraxis gegeben war, aber nicht nach heutigen Anforderungen, waren diverse Instrumente einzusetzen. Beim Thema Instrumente wird der Einsatz der Orgel statt des Cembalos ebenso näher beleuchtet wie der Einsatz von drei Violonen als Instrumente mit verschiedenen Aufgaben im Continuo statt des Cellos. Beim Stimmsystem werden die Fragen zu temperierter oder mitteltöniger Stimmung behandelt. Alle aus diesen Themen resultierenden Ansichten führt Letzbor, verkürzt gesagt, zu dem Ergebnis zusammen, dass im Vordergrund eine Praxis stehen muss, die für die jeweiligen Vor- und Nachteile Lösungen findet, die handhabbar sind und nicht streng abstrakten Lehrmeinungen gehorcht.
Diesen Kosmos, der aus dieser ernsthaften Herangehensweise in zutiefst innige Musik mündet, muss man einfach auf sich wirken lassen. Stellvertretend steht für mich der Eindruck, den die abschließende Passacaglia, oft alleinstehend, hier als 16. Sonate geführt, vermittelt. Selten oder gar nicht habe ich dieses Werk mit so viel Leichtigkeit und Eleganz gehört. Während andere eher den solistischen Charakter des Instruments darzustellen scheinen, gleitet hier der Erzengel wie eine Eule lautlos mit der himmlischen Eleganz eines Kranichs an die Ohren. Und wir verharren in Andacht, bis nach einer wohltuenden Ewigkeit die Zugabe ertönt.