Die Zeit ohne Livekonzerte hat sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt. Worauf freuen Sie sich jetzt besonders?
Wir sind sehr froh, wieder live zu spielen. Die wenigen Konzerte im letzten Jahr waren ja auch nichts Halbes und nichts Ganzes – nur eine Handvoll Auftritte, wo wir höchstens vor 100 Leuten spielen konnten.
Wie hat sich die Zwangspause angefühlt?
Yuhao und ich sind zum Glück sehr kreative Menschen und sehr flexibel in allem, was wir gemacht haben. Zuerst waren wir frohen Mutes und haben auch viel solidarische Unterstützung von Konzertveranstaltern erfahren, die uns zum Teil Honorare für ausgefallene Konzerte gezahlt haben. Da war viel Entgegenkommen im Spiel. Wir sitzen ja auch alle im selben Boot. Aber dann kamen Ermüdungserscheinungen. Man kann sagen, uns ist durch den Komplett-Wegfall sämtlicher Konzerte ein Teil der Identität weg gebrochen – am Ende fühlt man sich doch nicht mehr ganz wie sich selbst.
Haben Sie auch online-Konzerte gegeben?
Ja, habe ich. So etwas ist immer eine gute Referenz, um Aufmerksamkeit zu generieren.
Wie habt ihr überhaupt die Möglichkeit bekommen, im Alfried-Krupp-Saal in Essen aufnehmen zu können?
Über ein paar Ecken hatte ich gute Verbindungen in die Philharmonie. Und da ergab es sich, dass mir angeboten wurde, in der konzertlosen Zeit an diesem Ort aufnehmen zu können.
Erzählen Sie die Vorgeschichte zu dieser Produktion!
Wir hatten schon lange den Wunsch, etwas im Duo zu machen. Wir kennen uns ja seit wir Kinder sind und sind damals zusammen in Köln ins Pre-College der Hochschule für Musik und Tanz (Hfmt) gekommen. Aber dann hat erst mal jeder seine Karriere verfolgt. Die Zwangspausen in der Corona-Zeit boten endlich die Chance, mal einen Gang zurück zu schalten. Yuhao hatte schon den Kontakt zum Ars – Label, wo auch die Winterreise erschienen ist. Und die sagten, sie hätten Lust darauf, uns als Duo an Bord zu holen. Dann kam die Option mit der Essener Philharmonie hinzu.
Wie ist es zu dieser Eigenkomposition von Yuhao gekommen?
Yuhao hat schon seit der Kindheit komponiert. Ich habe ihn dann animiert, er möge doch für dieses Projekt auch etwas für zwei Klaviere schreiben. Das wäre doch eine gute Ergänzung zu den beiden anderen Meisterwerken von Rachmaninov und Arensky. Yuhao hat ziemlich flott im Zeitraum von zwei oder drei Monaten die Suite komponiert. Sie sofort gemeinsam proben zu können, war ein toller Entwicklungsraum. Schließlich durften wir im November letzten Jahres aufnehmen. Wir haben dann alles in einem einzigen Aufnahmetag in der Philharmonie gemacht: Länger wäre zu teuer geworden. Aber wir haben einfach gesagt, wir schaffen das und dann haben wir von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends aufgenommen.
Wie bleibt man über einen so langen Zeitraum konzentriert?
Da ist man einfach für gemacht oder nicht. Jeder Mensch ist da anders. Als frei arbeitende Musiker sind wir an einen solchen Rhythmus gewöhnt, der viel mit Antizipation zu tun hat. Es geht alles in einem ständigen Auf und Ab. Es verhält sich wie bei großen Konzerten, für die wir endlos viel rund um die Uhr geübt haben. Und dann ist alles nach einem Abend vorbei. Das ist bei einer Aufnahme nicht viel anders. Wenn es sein muss, dann wird einfach 10 Stunden durch gearbeitet und danach geschlafen. Aber man muss sich auch in diese Verfassung bringen und auch hart mit sich sein. Wenn es nicht auf den Punkt funktioniert, hat man vorher nicht genug geübt.
Was ist die Herausforderung, wenn zwei Klaviersolisten auf zwei Flügeln zu einem Gesamtensemble zusammenwachsen?
Wenn zwei so gewaltige solistische Instrumente zusammen kommen, wird deren Klangmasse mal eben verdoppelt. So etwas kann sich negativ auswirken, dann wird schnell aus der Masse Chaos. Yuhao Gao und ich haben uns in den Proben gründlich aufeinander ein gehört. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass wir eine große räumliche Distanz zueinander haben. Sehr gut aufeinander hören zu können, ist hier alles. Es ist eine komplexere Angelegenheit als bei einem Kammermusikpartner. Wir haben im Studium genug Partner gehabt, die einem zugewiesen wurden, mit denen wir ein Semester lang gespielt haben, aber es passte nicht perfekt. Yuhao und ich sind im Gegensatz dazu sehr gut miteinander eingespielt und auch ehrlich zueinander. Es ist ein Glück, einen Menschen zu finden, mit dem so etwas funktioniert.
Liegt der Reiz des Duospiels auch darin, neue, noch nicht ausgetretene Pfade zu beschreiten?
Es gibt viele spannende Möglichkeiten, die in diesem Genre noch nicht voll ausgeschöpft sind. Wir freuen uns, hier eine sehr ausgewogene Mischung präsentieren zu können. Auf der CD gibt es neue Musik, die zuvor noch nicht gehört wurde, ebenso Werke, die wir auf unsere Art und Weise neu interpretieren. Man gibt den Leuten etwas mit Erkennungswert und regt gleichzeitig das Publikum zu neuen Erfahrungen an. Ich denke, die Musik, die Yuhao komponiert, ist sehr angenehm zu hören. Er schreibt ja durchaus in einem romantischen Stil, aber behält dabei eine ganz eigenständige Note. Wir haben auf jeden Fall sehr schöne Erfahrungen damit gemacht. Jetzt freuen wir uns auf tolle, gemeinsame Konzerte.
Sie stammen ja beide aus China und waren dort auch schon auf Konzerttournee. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Vor allem, dass viele Kinder in den Konzerten sind. Sie verstehen das ganze vielleicht noch nicht auf der intellektuellen Ebene – aber es sind hinterher die ersten, die nach einem Konzert zu mir gerannt kommen und ein Autogramm wünschen. Das ist ein sehr schönes Gefühl. China hat natürlich auch sehr viele Schattenseiten. Aber die Aufgeschlossenheit für die Kultur erlebe ich als positiven Aspekt. So etwas würde ich mir auch mehr für Deutschland wünschen. Dass hier ein Bewusstsein entsteht, dass Klassik etwas Tolles ist. Etwas, worüber wir uns freuen und dem wir beiwohnen können. Ich finde es schade, dass es dieses Bewusstsein bei uns etwas schwer hat.
Was sind Ihre Wünsche und Ziele für die Zukunft?
Ich habe die Hoffnung, dass Yuhao und ich noch mehr junges Publikum ansprechen können. Wir moderieren ja auch sehr gerne. Im Zweierpack funktioniert so etwas noch viel besser.
Ich bin bei meiner Recherche auf ein wunderbares Video gestoßen, da agieren Sie als Singer-Songwriterin und singen/spielen einen hinreißenden Popsong. Was hat es damit auf sich?
(Lacht) Das war eine totale Ausnahme. Das war sozusage mein allererstes Corona-Projekt. Es ist einfach schön, kreativ zu sein. So etwas hatte ich noch nie gemacht, aber ich fühlte mich hier auch etwas durch Yuhao inspiriert, der ja auch Musical und Popmusik macht. Ich bin und bleibe natürlich in der Welt der Klassik zentriert. Aber ich finde es absolut wünschenswert, dass sich verschiedene Musikstile einmal mischen. Ich habe mich manchmal gefragt, ob man in der Welt der Klassik nicht auch etwas belächelt wird für solche Projekte. Aber es ist sehr wichtig, hier auch ein Statement zu setzen. Yuhao und ich haben eine ganz strenge Ausbildung genossen, die auch große Vorteile bringt. Diese Basis ist unbedingt empfehlenswert für jeden Menschen, der in den musikalischen Bereich einsteigt. Aber was sich daraus dann entwickelt, hat jeder selbst in der Hand. Wie farbenfroh und unterschiedlich die Wege sind, sehe ich ja auch an meinen vielen Kolleginnen und Kollegen.
Anke Pan wurde in Mülheim an der Ruhr geboren und begann im Alter von 4 Jahren mit dem Klavierspiel. Im Jahr 2010 war sie die jüngste zugelassene und einzige deutsche Teilnehmerin beim Chopin-Wettbewerb in Warschau. Später studierte sie bei Pierre-Laurent Aimard und bei Ilja Scheps, wo sie ihre musikalische Entwicklung fortsetzte. Sie erhielt zahlreiche erste Preise in unterschiedlichen Wettbewerben.
Der Kölner Pianist Yuhao Guo studierte Klavier bei Nina Tichman und Liedbegleitung bei Ulrich Eisenlohr an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Er ist Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben sowie der Werner Richard – Dr. Carl Dörken-Stiftung. Seit 2021 hat er einen Lehrauftrag an der Hochschule Osnabrück. Er ist erster Preisträger zahlreicher Wettbewerbe.
Rezension