Exzellente Aufführungen von Wagners ‘Fliegendem Holländer’ und Verdis ‘Un Giorno di Regno’ hat Alain Steffen bei den Heidenheimer Opernfestspielen gesehen. Hier sein Bericht:
Der Heidenheimer Aufführung von Wagners ‘Der Fliegende Holländer’ konnte sich hören und sehen lassen, wenn auch nicht alles perfekt war. Die ‘Dernière’ am 28. Juli, also die letzte Vorstellung dieser Serie, war zugleich eine Premiere, da die vorigen Vorstellungen allesamt wegen schlechten Wetterbedingungen nicht im Freien, in der Ruine des Rittersaals von Schloss Hellenstein, sondern im geschützten Festspielhaus stattfinden mussten.
Als Zuhörer in der Ruine, musste man natürlich seine akustischen Erwartungen etwas herunterschrauben. Doch die Aufführung kam erstaunlich homogen und klanglich ausgewogen herüber. Sicher, orchestrale Feinstarbeit suchte man vergebens, und in einem klassischen Opernhaus wäre der Gesang sicherlich besser und kunstvoller gewesen, aber insgesamt dürfte diese Aufführung so ziemlich jeden zufriedengestellt haben. Georg Schmiedleitner hatte sich der Inszenierung angenommen und versetzte den Holländer in die heutige Zeit.
Daland ist ein skrupelloser Unternehmer, der auf Billiglohnarbeiter zurückgreift und schlechte Ware produziert. Senta, seine Tochter, ist eine Außenseiterin und gehört der Gothic-Scene an. Vom Vater missbraucht, ist sie eine traumatisierte junge Frau, die sich in eine Scheinwelt zurückzieht. Ihr Verlobter Erik kommt als eifersüchtiger, in seiner ausweglosen Situation sogar gefährlicher Tölpel daher, und der Holländer ist eigentlich das männliche Pendant von Senta. Ebenso dunkel angezogen und ebenso tätowiert ist er ein Außenseiter einer auf profitbedachten Gesellschaft. All diese Personenzeichnungen bringt Schmiedleitner konsequent und überzeugend zusammen, so dass der Zuschauer einen neuen Blick auf diese Erlöserthematik erhält. Und das mit einem überraschenden Happy End! Senta erschießt Erik, der geschundene Steuermann schneidet Daland die Kehle durch und das neue Paar Senta-Holländer springt bei Feuerwerk regelrecht in eine neue Zukunft. Natürlich gab es einige dramaturgische Ungereimtheiten, aber insgesamt konnte Schmiedleitners Inszenierung überzeugen.
Nur Gutes kann man von den Sänger-Schauspielern sagen: Melanie Forgeron war eine solide Mary, Randall Jakobsh ein kaltherziger Daland; Martin Platz begeisterte mit seinem lyrischen Tenor in der kleinen Rolle des Steuermanns, während die vom Regisseur aufgewertete Figur des Erik stimmprächtig von Vincent Wolfsteiner gesungen wurde. Die beiden Hauptpartien waren mit Annette Seiltgen (Senta) und Antonio Yang sehr gut bis herausragend besetzt. Vor allem Yans Holländer war ein Musterbeispiel an Deklamation, Stilgefühl und präzisem Gesang. Die munter aufspielenden Stuttgarter Philharmoniker und der spielfreudige Tschechische Philharmonische Chor Brünn wurden von Heidenheims Opernfestspiele-Chef Markus Bosch mit viel Drive und Dramatik dirigiert.
Hochinteressant ist die Initiative von Marcus Bosch, in Heidenheim die frühen und selten gespielten Opern von Giuseppe Verdi aufzuführen und als CD-Mitschnitt herauszubringen. Höchst originell war in diesem Sinne auch Barbora Horakova-Jolys Inszenierung von Verdis ‘Un Giorno di Regno’, einer Buffo-Oper in zwei Akten. Horakova-Joly ließ diese komische Oper, bei der man sicher musikalische Parallelen zu Donizetti und thematische zu Mozart (Figaro, Cosi) ziehen kann, in einer Pizzeria spielen und versetzte die Intrigen und Identitätstäuschungen in das Drogen-Milieu der italienischen Mafia. Dami bot sie eine Fülle an lustigen Einfällen, die immer wieder überraschend konsequent in die eigentliche Handlung eingebunden wurden. Für dieses Verdi-Projekt saß das 2011 von Marcus Bosch für die Opernfestspiele Heidenheim gegründete und klassisch besetzte Orchester ‘Cappella Aquileia’ im Orchestergraben. Dieses Ensemble konnte auf CD bereits mit zwei Schumann-Symphonien und der Heidenheimer Aufnahme von Verdis ‘Oberto’ für sich einnehmen. Dass die ‘Cappella Aquileia’ ein außergewöhnlich gutes Orchester ist, bewies das Ensemble auch an diesem Abend, wo es unter der straffen Leitung von Marcus Bosch ein regelrechtes musikalisches Feuerwerk zündete.
Und dass man auch ohne namhafte Stars fantastische Oper machen kann, das bewies das engagierte und bis in die kleinste Rolle optimal besetzte Ensemble der Heidenheimer Opernfestspiele. Michaela Maria Mayer als Giuletta, Elisabeth Jansson als Marchesa, Gocha Abuladze als Belfiore, Davide Fersini als Baron Kelbar, David Steffens als La Rocca und Giuseppe Talamo als Edoardo, sie alle trugen ihren Teil zum Gelingen dieses vorzüglichen und kurzweiligen Opernabends mit Pizza, Pasta, Machos und Pistolen bei. Weitaus besser als im Holländer kam der Tschechische Philharmonische Chor Brünn (Einstudierung Petr Fiala) zur Geltung. Und das lag an der hervorragenden Akustik des kleinen, aber feinen Heidenheimer Festspielhauses. Wir freuen uns jedenfalls schon auf nächstes Jahr, wenn Verdis I Lombardi und Nabucco auf dem Programm stehen. (www.opernfestspiele.de)