Über die musikalische Zusammenarbeit Abbado-Argerich ist schon viel geschrieben worden, aber nichts kann das Thema besser illustrieren als diese Fünfer-Box.
Die ersten Aufnahmen führen uns zurück ins Jahr 1967. Argerich war 26, Abbado 34. Zusammen spielten sie zunächst Prokofievs Drittes Klavierkonzert ein. Es ist eine atemberaubende Aufnahme. Argerich stellt ihre phänomenale Technik ganz in den Dienst der Musik und musiziert mit einem derartigen rhythmischen Drive, dass Abbado und die Berliner Philharmoniker unter derart viel Starkstrom zu funkeln und glitzern beginnen, wie man es sonst kaum in diesem Opus je gehört hat.
Aber bei aller Energie hat man nie den Eindruck, hier sei Virtuosität Selbstzweck oder die Pianistin haue in die Tasten, um ein Maximum an Lautstärke zu erzielen. Nein, eben nicht! Argerich verletzt auch bei schnellsten Tempi und größter Kraft nie die Schönheit der Musik und vernachlässigt nie das Kantable, das es in Prokofievs wildem Dritten Konzert auch gibt. Abbado unterstützt sie dabei so gut, dass aus diesem Zusammenspiel durch ständiges Anspannen und Entspannen jeder Eindruck von purer Technizität vermieden wird.
Das Ravel-Konzert in G ist in dieser ersten Aufnahme (auch die Einspielung von 1984 ist in der Box enthalten) sehr jazzig, sehr verspielt und dennoch auch raffiniert und gefühlvoll. Die Spannung ist elektrisierend.
Spannend geht es auch in Chopins Erstem Klavierkonzert zu, wo Argerich durch ein herbes und doch immer melodisches, vor allem aber stupend einfallsreiches und originell-persönliches Spiel begeistert. Abbado bringt es fertig, dem Orchesterpart jede Schwere zu nehmen und die Musik dennoch nicht zu leicht klingen zu lassen. Herausragend ist auch die Aufnahmequalität. Sie zeigt, dass die Toningenieure von heute nicht besser sind als die von 1968.
Was Musik machen für Argerich und Abbado bedeutet, zeigt sehr gut der Beginn des Ersten Liszt-Konzerts, das mit geballter Energie startet und dann in eine wunderbare Poesie verfällt, um gleich wieder die Batterien maximal aufzuladen. Dieser Wechsel von explosiver und dann wieder poetisch empfundener Musik macht die Einmaligkeit dieser anregend spontanen Interpretation aus.
Die Aufnahme des Ravel-Konzerts aus London mit jener aus Berlin zu vergleichen, ist interessant. Letztere ist spontaner, übermütiger, die mit dem LSO ausgewogener aber voller überraschender Nuancen, sowie farbiger im Orchester.
Es gibt Ausnahme-Interpretationen, die mit keiner gängigen Wiedergabe zu vergleichen sind und bei denen das Herz des Musikfreunds vor Begeisterung rast. Eine solche Interpretation findet sich auf der CD mit Tchaikovskys Klavierkonzert, das man wohl noch nie so gehört hat, wie Argerich und Abbado es hier spielen. Da brennt ein Feuer, nein ein Feuersturm der Leidenschaft, da spürt man bei der Pianistin eine Ekstase, die selbst den erstaunt, der Argerich zu kennen glaubt.
Einige wenige Momente der Entspannung gibt es in dieser Live-Einspielung, deren Spontaneität, fulminante Rhythmik und unbändige Kraft wirklich einmalig sind. Die Argerich ist hier so atemberaubend virtuos, dass einem fast schwindlig wird. Gleichzeitig produziert sie einen Klang, dessen Fülle in keiner mir bekannten Interpretation überboten wird.
Claudio Abbado ist der Pianistin ein vollwertiger und inspiriert-inspirierender Partner. Er spornt die Berliner Philharmoniker zu feurigstem Musizieren an – nicht immer ohne hörbare Schwierigkeiten in der Realisierung, aber was soll’s, kleine Patzer können die mitreißende Musik nicht in ihrer alles erfassenden Kraft bremsen. Zum Schluss hat man dann nur den Wunsch mit befreiendem Bravo im Begeisterungssturm des Publikums mitzumachen, aber die DG-Techniker haben den Beifall sorgsam weggeschnitten (oder die Coda aus der Probe verwendet), und dabei wäre dieser Applaus wirklich angebracht gewesen.
Elektrisierend spielt Argerich auch Beethiovens’ Drittes Klavierkonzert, prallvoll mit Leben. In den Ecksätzen gibt es ein pianistisches Feuerwerk mit Orchesterbeilage. So gewöhnt man sich sogar an den fassartigen Hohlklang der Aufnahme. Der bläht freilich das wunderschön artikulierte und von Abbado ‘meaningful’ begleiteten Largo unschön auf.
Sehr leichtfüßig und fast burschikos kommt dann der erste Satz des Zweiten Konzerts, das eigentlich das erste ist, daher, ‘deeply thought’ und tief ausgelotet, der zweite Satz, voller Spannkraft und federnder Eleganz das Rondo. Superb, Madame Argerich!
Sie kannten sich, sie kannten Mozart: die Bedingungen für die Konzerte von Martha Argerich und Claudio Abbado beim ‘Lucerne Festival’ und die Mitschnitte der beiden Klavierkonzerte KV 503 und 466 waren dementsprechend optimal und gut für entspanntes und freies Musizieren. Von Stilsicherheit konnte man ausgehen. Doch Souveränität ist nicht ipso facto ein Garant für erfülltes Musizieren. Genau das aber findet hier statt, weil Argerich und Abbado sich nicht nur vertrauen, sondern sich zuhören und gemeinsam die Musik gestalten, in permanentem Dialog, ungemein lebendig und spontan. Das Bild, das beide zusammen mit dem Orchester entwerfen, ist farbenreich, aber auch voller aufregender Nuancen und vor allem von bestechender Klarheit. Kein Pathos, keine falschen Akzente, kein Auftrumpfen, weil weder Abbado noch Argerich sich gegenseitig oder auch dem Publikum etwas anderes beweisen müssen, als dass sie in völliger Harmonie und Ausgewogenheit zusammen arbeiten können, zum Wohle der Musik.
Der Tonmeister hat ebenfalls eine in allen Hinsichten gute Arbeit geleistet. Das Klangbild ist klar, räumlich und wohl proportioniert. Definitiv eine Aufnahme, an der man sich nie wird satt hören.
This is a wonderful compilation, showing all the sparkling imagination and originality of Martha Argerichs’ playing. Abbado is the best conductor she ever worked with. The chemistry works so well! All the performances are so full of spontaneity that the listener never will get bored by these recordings.