Johannes Brahms: Violinkonzert op. 77, Ungarische Tänze Nr. 1, 2, 6, 11; Béla Bartok: Rhapsodien Nr. 1 & 2 für Violine & Klavier; Leonidas Kavakos, Violine, Peter Nagy, Klavier, Gewandhausorchester Leipzig, Riccardo Chailly; 1 CD Decca 4785342; 5/13 (74'36)
Diese Brahms-Symphonien sind Vollbad-Aufnahmen, und so muss man sie sich anhören, auf einem anständig lauten Soundlevel, um die schiere klangphysikalische Erfahrung der Musik zu machen, die das Gewandhausorchester in die Mikrophone getrieben hat. Dem Tonmeister, das sei gleich gesagt, gilt uneingeschränktes Lob für den perfekt symphonischen Klang. Denn darum geht es hier, um Klang, um die metikulöse und gleichzeitig maximale Umsetzung dessen, was in der Partitur steht. Chailly hat in jeder diesen finalorientierten Symphonien den letzten Takt im Auge, wenn er den ersten lanciert. Die Musik fließt unaufhaltsam diesem Finaltakt zu, kraftvoll, männlich, ohne Pathos und doch auch sehr geschmeidig und mit jeder Menge an persönlichen Akzenten, die den Fluss jedoch nie hemmen und nie aufgesetzt oder recherchiert wirken. Und immer wieder ist es der Gewandhaus-Sound, der atemberaubend ist in seiner Rhetorik, in seiner Präsenz, in seiner Balance und Klangpracht. Seit Karajan hat keine Brahms-Symphonie so vollendet geklungen, und Chailly erzeugt sogar noch mehr unmittelbare Gestik, einen im Detail lebendigeren und spannungsgeladeneren Klang als Karajan, weil er dem Orchester mehr Raum gibt für Expansion, weil er mit seinen Musikern atmet. Man braucht nur genau hinzuhören, um festzustellen, dass immer alles in eine Linie eingebunden ist, nichts Abruptes passiert, keine Tempovariation erfolgt, die nicht gerechtfertigt und logisch wäre, um der Elastizität der Brahmsschen Zeitmaße gerecht zu werden. Chailly weiß sehr wohl, dass Feinheiten bei Brahms zu vergrößern zu einem Kataklysmus führen könnte, der alles in Einzelteile zerbricht. Diese perfekte Ausgewogenheit des Bewegungsstroms, der ständig spürbare Pulsschlag der Musik und die exzeptionelle Klanglichkeit des Gewandhausorchesters sind es, die den Hörer in einen Zustand des Einswerdens mit der Musik versetzen.
Und so hat man nach der Vierten Symphonie den Eindruck, etwas ganz Großes, Bedeutendes und Großartiges erlebt zu haben, Brahms in seiner ganzen Klangfülle, in seiner ganzen Ausdrucksvielfalt, denn auch in den langsameren, meditativeren Teilen gibt es nur erfülltes und absolut ergreifendes Musizieren. Chaillys Brahms ist ganz einfach ‘richtig’.
Auf einer dritten CD fließt dieser Brahms weiter in absolut hinreißenden Einspielungen von Ouvertüren, Tänzen, Intermezzos und sogar dem Andante der ersten Symphonie in der Originalfassung.
Separat ist das Violinkonzert erhältlich, das nach gleicher Rezeptur eingespielt wurde. Auch hier fasziniert der transparente, immer richtig ausbalancierte Klang des Orchesters. Und gemeinsam mit dem griechischen Geiger Leonidas Kavakos bringt Chailly die Noten von Brahms in einen rauschenden Musikfluss ein, wobei die Entschlossenheit des Dirigenten sich mit dem kraftvoll-sonoren Spiel des Solisten in idealer Weise paart.
This new recording of the complete Brahms symphonies is perfectly shaped and has a sense of ‘rightness’ throughout the four symphonies and the Violin Concerto, superbly played by Leonidas Kavakos. The Gewandhaus Orchestra plays ravishingly and the sound engineer achieved both balance and clarity in this ultimate Brahms recording.