Arnold Mendelssohn und Friedrich Gernsheim: Natürlich stehen sie im Schatten von Johannes Brahms und Robert Schumann. Doch selbstbewusst haben sie der Violinist Friedemann Eichhorn und sein Pianist José Gallardo in den Titel der CD aufgenommen – freilich ‘hinter’ den großen Namen. Die Trackfolge auf der CD ist allerdings eine andere.
Die Aufnahme entstand bereits vor elf Jahren in den SWR-Studios in Mainz, nun hat sie das österreichische Label ‘paladino music’ aufgelegt und wiederholt damit einen Schritt, den man auch mit einer ähnlich gelagerten und zeitgleich veröffentlichten paladino-Produktion mit Violinsonaten der deutschen Komponistin Johanna Senfter unternahm: Man geht auf Entdeckungsreise, hier freilich mit Routen auf teilweise bereits erkundetem Terrain.
Das daher auch nur kurz überflogen sei: Die drei Romanzen op. 94 von Schumann und die d-Moll-Sonate op. 108 atmen den Geist der Romantik mit tiefen Zügen. Eichhorns Spiel bei Schumann ist spannend rezitierend, das Zusammenklingen mit dem Klavier gerät balladesk und kantabel. Bei Brahms gefällt das mal sanft streichende, mal selbstbewusst auftrumpfende Pianospiel Gallardos, über dem die Violinstimme tänzelt und schwebt. Auch diese Musik spricht durch den Klang, das Adagio gerät elegisch, doch nicht zu breit.
Noch spannender ist jedoch das bisher Unbekannte: Arnold Mendelssohn (1855-1933), dessen Werk nicht zuletzt durch die vernichtende Zensur durch den Nationalsozialismus aus dem Blickfeld verbannt wurde, sprüht in seiner C-Dur-Sonate op. 71 (wie Gernsheim hier als Weltersteinspielung vorgelegt) vor Spontanität, gefällt durch das Spiel mit Tonalität und Dissonanz sowie effektvoller Rhythmik und ist doch ein Kind der Hochromantik. Eichhorn und Gallardo wühlen in dieser klanglichen Wundertüte mit spürbarer Lust am Entdecken. Arnold Mendelssohn, ein Cousin von Felix Mendelssohns Vater, sollte nach dem Verdikt der Familie Jura studieren, widmete sich jedoch lieber der Musik – eine kleine anekdotische Parallele zu Telemann. Stilistische, klangverliebte Vielfalt auch hier: Dem Studenten Mendelssohn wurde vom Direktor der Berliner Singakademie August Eduard Grell seinerzeit „bedeutendes Talent zur Composition“ bescheinigt, verrät das informative Booklet. Die Vorstellung durch die beiden Künstler unterschreibt dies mit deutlichem Federstrich.
Kurz – nur gut zehn Minuten lang – ist das Gastspiel Friedrich Gernsheims (1839-1916): Die Wahl fiel hier auf ‘Introduction und Allegro appassionato’ für Geige und Klavier op. 38 des seinerzeit als ‘kleinen Mozart’ gefeierten Komponisten aus Worms. Mit Gernsheim lernt der Hörer einen Freund Clara Schumanns, Max Bruchs und Johannes Brahms‘ kennen – stilistische Parallelen nicht ausgeschlossen. Und ein Zufall, dass die Pausen zwischen den Komponisten eher kurz gehalten wurden? Die Violine zieht weite Bögen, Eichhorn setzt seine Akzente schwungvoll und mit Nachdruck spiegelbildlich zur mal wellenartigen, mal schroffen Begleitung des Pianisten. Nicht nur die pointiert angegangenen Intervallsprünge machen diese Musik spannend. Friedrich Gernsheim, auch er ein Opfer der braunen Zensur, ist bereits mit einigen Einspielungen auf dem CD-Markt vertreten (vor allem beim Label cpo) – seine Werke für Violine und Klavier (es existieren allein vier Sonaten für diese Besetzung) waren bislang nicht darunter.