Jede der Einspielungen von Giovanni Antonini in der Haydn-Reihe steht unter einem Titel. Der aktuelle scheint mit dem italienischen Addio Tschüss zu sagen. Da möchte man doch glatt ausrufen, bloß nicht, denn hier haben sie einen großen Schritt nach vorne getan. Und das meint nicht nur die 9. Edition an und für sich, sondern auch in der musikalischen Darstellung.
Konnte man sich schon bisher in von den Qualitäten des orchestralen Zusammenspiels in dieser Haydn Reihe überzeugen so gelingt es hier, sozusagen noch eine Schippe an Qualität zuzulegen. Dass Einmütigkeit bei Attacke und Verschmelzung in allen Orchestergruppen gegeben ist, ist allein noch kein besonderes Merkmal. Aber die Streicher zeigen eine weite Palette an Farben, Bogenstrichen und Artikulation und machen so den raffinierten Reichtum in Haydns Kompositionen deutlich. Die Bläser sind ebenfalls exzellent, Da sind vor allem die hohen Hornsätze zu nennen, die selbstbewusst mit Verve erklingen.
Die Tempi sind in den schnellen Sätzen oft recht zügig, ohne dass sie deswegen gehetzt klingen. Achtelmotorik wird gestaltet, nicht nur abgespult, so dass jede Linie für Schwung sorgt und ungehemmte Lebensfreude ausstrahlt. In den langsamen Sätzen dagegen lassen sie die melodische Linie singen. Einige Details seinen erwähnt.
In den beiden Sturm und Drang Sinfonien werden die Menuette nach dem Höreindruck mit einem Schlag pro Takt dirigiert. Man mag das als Nachteil deshalb sehen, weil es in gewissem Maß die Eleganz nimmt. Aber es klingt dann, ebenso wie die Ecksätze, wirklich stürmend und drängend, ohne sich zu überschlagen. In der Sinfonie Nr. 15 entsteht dieser Eindruck nicht. Sie wirkt im Vergleich fast ein wenig bedächtig. Im ersten Satz der Abschiedssymphonie wählt Antonini eine überraschende interpretatorische Idee. In der Durchführung, wenn die Musik wegen längerer Notenwerte schon auskomponiert langsamer wirkt, nimmt er plötzlich zusätzlich ein etwas langsameres Tempo und lässt auch die Artikulation sanfter wirken. Aus aufgeregter Unruhe wird dann ein Sehnen oder Flehen, wenn man den Finalsatz bedenkt. Der langsame Satz ist ebenso ein Höhepunkt, der sich von zarter Verspieltheit zu einer tiefen Sehnsucht entwickelt. Im Beiheft wird auch die von Haydn diktierte biografische Note erwähnt, wonach damit das vom Fürsten gewünschte längere Verweilen in Esterhazy beendet werden sollte, um den Musikern die Rückkehr zu ihren Familien zu ermöglichen.
Berenice, che fai?, das nach der Abschiedssymphonie erklingt, passt gut dorthin, da es auch einen, wenn auch mythologischen, Abschied thematisiert. Mit Kraft gespielt und von Sandrine Piau mit ihrem gewohnt fabelhaften Können unterstützt, zeigt die Scene die verzweifelte Wut der Protagonistin. Mit dieser Scheibe erklimmt die Reihe einen vorläufigen Höhepunkt. Mal abwarten, ob es eine Gebirgskette wird oder ein höherer Gipfel im Mittelgebirge bleibt.