Der aus Nazareth stammende israelisch-palästinensische Pianist Saleem Ashkar beginnt seinen Zyklus mit Beethovens 32 Klaviersonaten bei Decca mit den Sonaten 3,5,14 und 30. Das Programm bringt hitzige, drängende Virtuosität ebenso wie Vertiefung. Dabei ist seine Virtuosität auf dem unten leicht metallisch, oben präsent und warm klingenden Bechstein Grand D durchaus nicht überbrillant, aber extrem klar und rhythmisch manchmal ebenso ungewöhnlich wie in der Artikulierung.
Die schnellen Sätze der Dritten Sonate sind drängend und sehr energetisch, das Adagio gerät sehr zögernd. Dort, wo Benedetti-Michelangeli und Arrau noch eine kantable Linie zeichneten, bringt Ashkar die Musik ins Stocken, wirft Fragen auf, die das Scherzo verbissen wegwischt.
Die 5. Sonate, wie die 5. Symphonie in c-Moll, klingt anfangs recht unwirsch, in den softeren Passagen dann etwas versöhnlicher. Das Adagio wird wieder durch die Ernsthaftigkeit des Pianisten gekennzeichnet, der offenbar nicht völlig frei und gelöst spielen will und für kräftige, harsche Akzente sorgt.
Die 14. Sonate, die ‘Mondschein’-Sonate, verliert gleich am Anfang ihre Unschuld. Der langsame erste Satz bekommt bei Ashkar einen fast depressiven Ausdruck, und führt via das unentschlossene Allegretto zum furiosen Finale.
Auftrumpfend, unmissverständlich resolut kommen die beiden ersten Sätze der späten E-Dur-Sonate op. 109 daher, und diese Entschlossenheit färbt auf das Finale ab, das hier nicht gerade gesangvoll, « mit innigster Empfindung“ dargeboten wird, sondern sich geradezu zum Gegenpol der Interpretation von Ashkars Mentor Daniel Barenboim entwickelt. Ashkar geht es um den Ausdruck von Radikalität der Variationenform und ums Stauen und Loslassen von Energie.
Saleem Ashkars Beethoven-Zyklus kündigt sich mit diesem ersten Album als eine möglicherweise ganz besondere Gesamtaufnahme an, die den unausgeglichenen, launenhaften und eigensinnigen Charakter des Komponisten betont, seiner Unzufriedenheit und seinem Schmerz über sein hartes Los zum Ausdruck verleiht. Aber es ist vielleicht auch noch zu früh für eine solche Prognose…
Fest steht nur, dass mich dieses Album nicht wirklich begeistert, aber zumindest neugierig gemacht hat, wie es denn einmal weitergehen wird mit Ashkars Beethoven.