Rezension von Uwe Krusch – Die hier vorgestellten sechs Kantaten, auch als Motetten einzuordnen, lassen sich zwar als ein Osteroratorium hören, sind aber als alleinstehende Werke komponiert worden. Der stilistisch dem Barock zuzuordnende Komponist Augustin Pfleger, aus Böhmen stammend, war in Güstrow und Schleswig, also an in Norddeutschland gelegenen Höfen tätig. Der heute weitgehend unbekannte Komponist war zu seiner Zeit immerhin so angesehen, dass er als Kapellmeister am Hof von Schleswig-Holstein-Gottorf die musikalische Gestaltung des Festakts zur Einweihung der Universität Kiel 1665 übertragen bekam und er leitete die erste Aufführung einer Oper im Gottorfer Schloss. Sein eigenes Werkverzeichnis aus Güstrower Zeit listet 89 geistliche Werke auf.
Pfleger gestaltet seine Werke, anders als etwa Johann Sebastian Bach, direkter und geradliniger, nutzt Texte unterschiedlicher Provenienz in einem Werk und liefert damit einen ganz eigenen Stil. Im Beiheft zur Ausgabe lassen sich viele weitere Informationen zu Umfeld, Person und Werk erlesen.
Alle Werke in dieser Aufnahme erklingen mit einer sich weiträumig ruhig entwickelnden musikalischen Aussage, die sich durch kleine, aus heutiger Sicht Corona gerechte Besetzung auszeichnen, bei der die solistisch besetzten Gesangsstimmen nur von einer Continuogruppe begleitet werden. Erst im sechsten Stück werden das Tempo schneller und der Ausdruck befreiter und fröhlicher, passend zur inhaltlichen Aussage.
Der Gesang wird mit bis zu fünf solistisch besetzten Stimmen dargeboten. Gemeinsam treten sie als Vox Nidrosiensis auf. Alle Beteiligten widmen sich mit historisch informierter Herangehensweise, also schlank artikulierenden Stimmen mit dezentem Vibrato. Dabei gelingt es Natalie Pérez, Gunhild Alsvik, Samuel Boden, Victor Sordo Vicente und Havard Stensvold auch zufriedenstellend in der Artikulation des Deutschen agieren, wobei die Verständlichkeit bei den Männerstimmen klar besser ist.
Geleitet wird diese Aufnahme aus Norwegen mit dort heimischen Künstlern von Martin Wahlberg. Das ebenfalls aus Trondheim stammende Orkester Nord fügt mit ebenfalls dem Kontext angepasstem Spiel die Continuolinien hinzu, die eine ebenso erdende wie leichte Artikulation bringt, die zusammen mit dem Gesang Ausstrahlung und Erbauung bieten.
The six cantatas presented here, which can also be classified as motets, can be heard as an Easter oratorio, but were composed as stand-alone works. The composer Augustin Pfleger, who stylistically belongs to the Baroque period and comes from Bohemia, was active in Güstrow and Schleswig, i.e. at courts located in north German territories. The composer, who is largely unknown today, was so highly regarded in his time that he was appointed Kapellmeister at the court of Schleswig-Holstein-Gottorf, where he was responsible for the musical arrangement of the ceremony marking the inauguration of the University of Kiel in 1665, and he conducted the first performance of an opera in Gottorf Castle. His own catalogue of works from the Güstrow period lists 89 sacred works.
Unlike Johann Sebastian Bach, for example, Pfleger arranged his works more directly and straightforwardly, using texts of different provenance in one work and thus providing a style all his own. The booklet accompanying the edition contains much more information about the environment, the person and the work. All the works in this recording sound with a spacious, calmly developing musical statement, characterized by small, from today’s point of view corona-fair instrumentation, in which the solo vocal parts are accompanied only by a continuo group. Only in the sixth piece does the tempo become faster and the expression more liberated and cheerful, in keeping with the content of the statement.
The singing is performed with up to five solo voices. Together they perform as Vox Nidrosiensis. All participants dedicate themselves to a historically informed approach, i.e. slenderly articulating voices with discreet vibrato. Natalie Pérez, Gunhild Alsvik, Samuel Boden, Victor Sordo Vicente and Håvard Stensvold also manage to act satisfactorily in the articulation of the German, although intelligibility is clearly better in the male voices.
This recording from Norway with local artists is conducted by Martin Wahlberg. The Orkester Nord, also from Trondheim, adds the continuo lines with playing that is also suited to the context, bringing an articulation that is as grounding as it is light, which together with the singing offers radiance and edification.
Rezension von Guy Engels – Augustin Pfleger gehört wahrlich nicht zu den bekanntesten Barockkomponisten. Seine Musik ist kaum veröffentlicht und dementsprechend wenig verbreitet. Zudem wirkte Pfleger nicht an den musikalischen Zentren jener Zeit sondern eher abseits – in Güstrow und in Gottorf. Seine Werke sind heute in der Berliner Staatsbibliothek und in der Universität Uppsala in Schweden zu finden.
Kein Wunder demnach, dass sich das skandinavische Ensemble Orkester Nord – im norwegischen Trondheim beheimatet – nun mit Pflegers Musik auseinandersetzt.
Und wie! Wir erleben und durchleben hier über 70 Minuten packende Passionserzählung mit faszinierenden Stimmen und einem hoch motivierten Instrumentalensemble.
Vox Nidrosiensis ist im Grunde ein stimmlich hervorragend ausbalanciertes Solistenquintett, das uns die Leidensgeschichte sehr ausdrucksstark vorträgt, kristallklar im Klang und derart textverständlich, dass man blind zuhören kann und ohne Booklet auskommt. Diesen hervorragenden rhetorischen Duktus greift das Orkester Nord geradezu natürlich und selbstverständlich auf, womit diese Aufnahme einmal mehr beweist, dass ein Blick in die vermeintliche musikalische Provinz immer wieder lohnenswert ist.