UNTERHALTSAM
Johann Wenzel Kalliwodas (1801-1866) Ouvertüren und Violin-Concertinos bieten ungetrübtes Hörvergnügen. Ariadne Daskalakis spielt die kaum bekannten Concertinos Nr. 1 & 5 mit viel Herzblut als wahre Kostbarkeiten und lässt uns einen Komponisten neuentdecken, der zu seiner Zeit eine weit größere Rolle spielte als heute. Drei Ouvertüren (Nr. 3, 7 & 10), die von Komponisten als pure Unterhaltungsmusik angelegt wurden, vervollständigen das Programm, das wegen der exzellenten orchestralen Leistung durch das ‘Concerto Köln’ und den Dirigenten Michel Alexander Willens eine Empfehlung verdient (cpo 777692-2).
KEIN MEISTERWERK
Nein, ein Meisterwerk ist Leo Falls Oper ‘Paroli’ nicht. Dieser eher an Operette als an Oper angelehnte komische Einakter birgt eine ebenso banale wie bekannte Story (alter Sack verliebt sich in junge Magd) und enttäuscht durch eine phantasielose und kaum unterhaltsame Musik. Glücklicherweise wertet die exzellente Darbietung verschiedener Sänger (Anke Krabbe, Ralf Lukas, Jörg Dürmüller) dieses Werkchen etwas auf, während die Altistin Andrea Bönig kaum zu begeistern weiß. Axel Kober dirigiert das WDR Funkhausorchester Köln mit gekonnter Hand, so dass der Hörer zumindest auf interpretatorischer Ebene belohnt wird (cpo 777 899-2).
FEINE RENAISSANCE-MUSIK
Pablo Heras-Casado, ehemaliger Assistent von Pierre Boulez beim ‘Lucerne Festival’, hat sich im Laufe der letzten Jahre nicht nur als Interpret von zeitgenössischer Musik international einen hervorragenden Namen gemacht. Heras-Casado ist aber auch Spezialist für Alte Musik und so freut es uns, diesen talentierten Dirigenten mit geistlichen Chorwerken von Hieronymus, Jacob und Michael Praetorius zu hören. Zusammen mit dem herausragenden Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble erleben wir während 70 Minuten wundervolle Renaissance-Stücke (Archiv Produktion 479 4522).
HADELICH MIT BARTOK UND MENDELSSOHN
Bela Bartoks Violinkonzert Nr. 2 und Mendelssohn Violinkonzert hat Augustin Hadelich für Avie aufgenommen. Diese zwei Klassiker des Violinrepertoires brauchen nicht nur einen vorzügliche Solisten, sondern ein ebenso erstklassiges Orchester und einen überzeugenden Dirigenten. Augustin Hadelich spielt Bartoks 2. Violinkonzert sehr konzentriert und lotet die Partitur maximal aus. In seinem Spiel lassen sich enorm viele Farbschattierungen ausmachen, genauso wie einen sehr natürlichen, vorwärtsdrängenden Fluss. Technisch brillant auch das Mendelssohn-Konzert, selbst wenn hier keine wirklichen Interpretationsakzente gesetzt werden. Leider weiß der Dirigent Miguel Harth-Bedoya die Kapazitäten des ‘Norwegian Radio Orchestra’ nicht voll zu nutzen, so dass diese Interpretationen vor allem auf orchestralem Plan gegenüber der übergroßen Konkurrenz einknicken (AV2323).
VIELSCHICHTIG UND DIALOGREICH
Die Klaviertrios von Clara (op. 17) und Robert Schumann (op. 80 & 88) werden vom Trio ‘Voces Intimae’ makellos interpretiert. Die exzellente Klangtechnik unterstützt das vielschichtige Spiel der drei Musiker, die permanent am Dialogisieren sind und somit die Innenspannung recht hoch halten. Manchmal hätte man sich zwar etwas mehr Zurückhaltung gewünscht, doch im Großen und Ganzen überwiegen die positiven Eindrücke, die uns ‘Voces Intimae’ vermitteln (Challenge Classics 72675).
SCHÖNHEITSFEHLER
Das Haydn Quartett und der Bratschist Rudolf Leopold haben das Streichquartett und das Streichquintett von Karl Goldmark eingespielt, die in diesen Aufnahmen etwas rustikal daher kommen. Irgendwie scheint die historische Aufführungspraxis den Interpreten ins Handwerk zu pfuschen, denn diese Akzente, dieses legatoarme und recht dynamische Spiel kennen wir von vielen Interpreten, die sich auf Authentizität berufen. Leider passen dieses Klangbild und dieser Interpretationsansatz nicht besonders gut zu Goldmarks Musik, so dass hier eine Chance vertan wurde, Goldmark ins rechte Licht zu rücken. Das ist bedauernswert, denn spieltechnisch sind die fünf Musiker hervorragend. Wen die genannten Schönheitsfehler nicht stören, wird mit dieser Aufnahme sicherlich glücklich werden (Gramola 99076).
ALLE JAHRE WIEDER…
Alle Jahre wieder erscheint eine CD-Box mit Live-Mitschnitten von ‘Martha Argerich & Friends’ aufgenommen beim Festival in Lugano. Auch diesmal überrascht die Künstlerin mit einem ebenso abwechslungsreichen Programm wie tollen, spielfreudigen Solisten. Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Milhaud, Borodin, Bridge, Poulenc, Scriabin und Weinberg: bei diesen Komponisten dürfte wohl für jeden etwas dabei sein. Einige Höhepunkte seien hervorgehoben. Das brillant gespielte Klavierkonzert Nr. 20 von Mozart mit Argerich und dem ‘Orchestra della Svizzera Italiana’ unter Jacek Kaspszyk, Mendelssohns 1. Symphonie in der Busoni-Bearbeitung für zwei Klaviere und acht Hände mit Akane Sakai, Lilya Zilbertsein, Anton und Daniel Gerzenberg, Beethovens Variationen ‘Bei Männern welche Liebe fühlen’ mit Maisky und Argerich oder Frank Bridges Cellosonate mit Gautier Capuçon und Gabriela Montero (3 CDs Warner Classics 0825646134601).