PETRASSI MIT KÜHLER ELEGANZ
Goffredo Petrassi (1904-2003) hatte eine blühende Einfallskraft. Das zeigt eine Naxos-CD, die mit seinem flatterhaften Flötenkonzert beginnt, nicht unbedingt das attraktivste Werk für den Anfang, denn diese Musik kann den Hörer ganz schön nervös machen. Würde er aber gleich im ersten Track aufgeben, käme er nicht in den Genuss des nachfolgenden, reizvollen Klavierkonzerts. Dieses halbstündige, dreisätzige Werk zeigt den Einfluss Prokofievs. Die Musik ist extrem kontrastreich, und das Werk endet nach zwei substantiellen Sätzen mit einem kurzen, unspektakulären, aber flüssig virtuosen Finale. Die Suite ‘La follia di Orelando’ wurde im Jahr 1943 am ‘Teatro alla Scala’ in Mailand uraufgeführt. Die kühle Eleganz des Ausdrucks ist ein wichtiges Element dieser an und für sich eklektischen Musik, und Francesco La Vecchia hat das mit dem ‘Orchestra Sinfonica di Roma’ brillant umgesetzt. Auch die anderen Werke werden in tadellosen und klanglich sehr guten Aufnahmen vorgelegt (Naxos 8. 573073).
RENAISSANCE-MUSIK AUS POLEN
Das polnische Ensemble für Alte Musik ‘Sabionetta’ präsentiert auf einer CD des Labels Sarton polnische Renaissance-Musik aus dem 16. Jahrhundert. Diese Musik bestand vorwiegend aus Liedern, oft religiösen Liedern, auch jenen protestantischer Art. ‘Sabionetta’ nimmt dabei das vierstimmige Vokalmaterial als Ausgangspunkt für eine besonders reichhaltige Instrumentierung, die die Musiker in ‘theatralischer’, also affektbezogener Art aufführen, ohne sie aber – das zeigen diese Aufnahmen – übermäßig zu vergeistigen oder zu veredeln, sie belassen ihnen eindeutig ihren lokalen, bodenstämmig-trivialen Charakter (013-1).
BACHS HAMBURGER SINFONIEN
Sechs sogenannte Hamburger Sinfonien Wq. 182 von Carl Philipp Emmanuel Bach spielt das das Stuttgarter Kammerorchester unter Wolfram Christ bei Hänssler Classic (098.637). Es ist die erste Folge einer Gesamtaufnahme, die als (diskretes) Continuo-Instrument einen Hammerflügel verwendet. Und das passt zu Christs zupackender Interpretation dieser hoch virtuosen, frühklassizistischen Sinfonien mit ihren bizarren Brüchen und ihren unkonventionellen oft überraschenden Ausdrucksformen. Das Stuttgarter Kammerorchester wird so dem empfindsamen Stil in reizvoller Weise gerecht.
FAGOTT IN GROSSBRITANNIEN
England war im 17. und 18. Jahrhundert etwas wie ein musikalischer Schwamm, der zahlreiche Komponisten vom europäischen Festland aufnahm. Das Ensemble ‘Chameleon’ um die britische, in Deutschland lebende Fagottistin Jennifer Harris hat auf der Carus-CD ‘The Bassoon Abroad’ die Musik John Ernest Galliards, John Fr. Lampes und Luigi Mercis durch traditionelle schottische Lieder ergänzt. « Die vielfältige, farbige Interpretation macht deutlich, dass das Fagott nicht nur dazu da ist, um der Bläserfamilie als dumpfer, angestaubter Bass zu dienen: Es ist in der Lage zu seufzen, zu sprechen und zu lachen, kurz – lebendig zu werden », verkündigt das Label völlig zu Recht. Denn auf ihrem Barock-Fagott kann Jennifer Harris ihre technisch souveräne und phantasiereiche Musikalität sehr imponierend entfalten. Sie beeindruckt durch Virtuosität gewiss, aber vor allem durch einen wunderbar klaren, sauberen, weichen und warmen Ton, der im Einklang mit den anderen Instrumenten mit viel Ausdruck für sehr schöne Darbietungen sorgt (CV 83.463).
CHOPIN AUF DEM TAFELKLAVIER
‘Researching Chopin’ nennt Nils Henrik Asheim seine Mazurken-CD bei Lawo (LWC1049). Knapp zwei Dutzend Mazurken hat er eingespielt, nicht auf einem modernen Flügel und nicht auf einem historischen Fortepiano, sondern auf einem Collard & Collard Tafelklavier aus den 1830er Jahren, einem Instrument mit einer besonderen Klangproduktion: « Das hohe, das mittlere und das Bass-Register klingen wie verschiedene Instrumente », beschreibt der Pianist die Wirkung und sagt: « Die rechte Hand ist eine Violine, die linke eine Gitarre und zusammen klingen sie wie eine Harfe. »
Das ist eine vielleicht gewagte Formulierung, aber eins steht fest: das, was man in diesen Mazurken hört, ist doch sehr verschieden von dem, was man gewöhnt ist. Und das macht die CD letztlich interessant, denn Asheims Suchen nach Chopin führt ihn zu so manchem Experiment, das ungemein gut klingt.