AUFTAKT ZUM GANZEN SCARLATTI
Scarlatti ist in: Nach einigen anderen Pianisten, Bacchetti, Moog, befasst sch nun auch der vielseitige deutsche Pianist, Kammermusiker, Projektleiter, etc., etc. Christoph Ullrich mit dem Komponisten. Und er tut das nicht nur so schnell nebenbei, sondern beginnt mit zwei CDs bei Tacet eine Gesamtaufnahme der Scarlatti-Sonaten. Ein solches Unternehmen bedarf einer klaren Zielsetzung, eines umfassenden Konzepts. Der Hörer erwartet sich nicht unbedingt Extravaganzen, sondern eher ‘vernünftige’ Lösungen, die aber dennoch nie ins Akademische führen dürfen. Ulrich bewegt sich hier am Rande dieser Gefahr. Trotz manch interessanter Akzente hätte ich mir etwas mehr Mut zur Differenzierung gewünscht. Die Tonaufnahme ist von bestechender Präsenz und Natürlichkeit (199).
BARTOK MIT KLANGPHANTASIE
Béla Bartók liege ihm sehr am Herzen, sagt der seit 40 Jahren in Belgien lebende, aber in Ungarn geborene Pianist Levente Kende. Davon zeugt seine Doppel-CD bringt mit einer reichen Auswahl an Bartok-Kompositionen. Kende spielt nicht nur intensiv, sondern seine Interpretationen zeugen auch von einer außergewöhnlichen Klangphantasie, mit der er den Bezug von Bartoks Klavierwerken zur traditionellen Musik Ungarn oft frappierend herausarbeitet. Die Musik wird auf diese Weise sehr ‘sprechend, singend und tanzend’ (Klara/Warner Classics 0825646341177).
SCHWERELOSIGKEIT
Die fliegenden Finger – so bin ich versucht die georgische Pianistin Tamar Beraia zu bezeichnen, die sich bei eaSonus (# 29271) mit Haydn, Beethoven (Sonate op. 14/2), Schumann (Carnaval), Liszt (Mephistowalzer Nr. 1) und Bach-Busoni vorstellt. Alles, was Virtuosität erfordert, meistert sie großartig, nicht nur mit atemberaubenden Tempi, sondern auch mit, ja wie soll ich es nennen, vielleicht Schwerelosigkeit, die der Musik ein neues Kleid anpasst und zwar eines von der durchsichtigen Art, denn die Musik wird bei aller Ausdruckskraft – das Wort Kraft passt eigentlich nicht – ungemein transparent. Und diese Leichtfüßigkeit zeichnet quasi das ganze Programm aus.
GESCHMACKLOSE MANFRED-SYMPHONIE
Tchaikovskys Manfred-Symphonie braucht man interpretatorisch nicht mit übertriebenen Gesten aufzupäppeln, die Musik ist von sich aus dramatisch genug, um grösste Wirksamkeit zu erlangen. Dmitri Kitajenko hat das in seiner als absolute Referenz anzusehenden Einspielung gezeigt. Umso schlimmer wirken die Irrtümer von Mikhail Pletnev (mit dem Russischen Nationalorchester), der mit einer irritierenden Agogik und oft übertrieben nachdrücklichen Gesten eine weitgehend geschmacklose Interpretation hinlegt, die von Gefühlspathos nur so trieft (Pentatone PTC 5186387).
BARSHAIS BEETHOVEN
Melodyia veröffentlicht eine Fast-Gesamtaufnahme der Beethoven-Symphonien mit einem nicht näher bezeichneten Orchester unter der Leitung von Rudolf Barshai. Die Aufnahmen stammen aus den Siebzigerjahren und beinhalten die ersten acht Symphonien. Diese klingen unter Barschais beherzter Leitung bei eher moderaten Tempi sehr ‘saftig’ und sind mit einer Fülle von ungewohnten Akzenten und Artikulierungen nicht uninteressant (5 CDs 1002228).