WENIGER WÄRE MEHR GEWESEN
Das ‘Cuarteto Casals’ spielt Mozarts Streichquartette KV 428, 465 und 387, die Joseph Haydn gewidmet sind. Die Interpretationen sind ungewöhnlich, weil die vier Musiker in ihrer Dezidiertheit, die Musik so lebendig wie möglich werden zu lassen, etwas zu viel tun, zu viele Akzente setzen, so viele dynamische Wechsel praktizieren und die Musik auf diese Weise leicht unruhig werden lassen. Wohlgemerkt, das Spiel des Quartetts ist brillant und niveauvoll, aber in diesem Fall sage ich: weniger wäre mehr gewesen! (Harmonia Mundi HMC 902186).
ZWEI SEITEN
Zwei Seiten hat so manches, auch die CD, auf der Liudmila Georgievskaya Ludwig van Beethovens Eroica Variationen und Robert Schumanns ‘Etudes Symphoniques’ spielt. Während die subtile Differenzierungs- und Gestaltungskraft der Pianistin bei Beethoven wahre Wunder wirkt, verzettelt sich Georgievskaya in Schumanns Opus 13 mit einem gestelzten und unnatürlichen Spiel, das der Musik ihren Charakter nimmt und Schumann als Erbsenzähler erscheinen lässt (Odradek ODRCD304).
THIELEMANNS BRAHMS
Thielemann-Brahms-Wiederveröffentlichungen gibt es mit einer DG-Box 4792787. In den Symphonien (die bereits auf Videodisc erschienen) lässt Thielemann die Musik nicht zielbewusst fließen, sondern treibt sie an, bremst sie ab, bringt sie fast zum Stehen und dynamisiert sie dann wieder voller Impetus. Es ist eine Berg- und Talfahrt mit sehr vielen verschiedenen Eindrücken. In den Klavierkonzerten ist Maurizio Pollini Thiemanns Partner, und, oh Wunder, der Italiener bedient sich des emphatischen Spiels der Dresdner Staatskapelle, um selbst expressiver zu werden, als man es bei ihm gewohnt ist, was hier zu einer gewissen Theatralik führt. Im Violinkonzert blüht und duftet es. Lisa Batiashvili spielt blumig, nobel, schön und innig, und auch die Staatskapelle Dresden blüht in warmen Farben.
CHOPIN-KONZERTE AUF ZWEI KLAVIEREN
Die koreanische Pianistin Soo Park und der französische Cembalist Mathieu Dupouy haben die beiden Klavierkonzerte von Frédéric Chopin in der Fassung aufgenommen, die der Komponist gerne in Privatkonzerten mit Schülern benutzte. Dann spielte Chopin in der Regel die Begleitung auf seinem Pleyel Pianino, einem kleinen aufrecht stehenden Instrument, während der Schüler auf den großen Pianoforte spielte. Die Aufnahme ist also eher ein Kuriosum als ein musikalisches Ereignis, das die Interpretationsgeschichte der beiden Konzerte revolutionieren würde. Aber die Musik klingt dennoch sehr gut, denn die beiden Interpreten investieren sich sehr (Hérisson LH11).
STRAHLEND KLAR
Kammermusik mit Bläsern spielen die ‘Swiss Chamber Soloists’ auf einer CD von Genuin (mit dem Flötenquartett KV 285, dem Oboenquartett K. 370 und dem Klarinettenquintett K. 581. Viel braucht man dazu nicht zu schreiben: das Ensemble, in dem Heinz Holliger der prominenteste Musik ist, spielt flüssig, vital und mit einer großen Transparenz. Der Klang ist strahlend klar. Eine hochkarätige CD (GEN 14319).
THERAPEUTISCH?
Als therapeutisches Mittel bezeichnet der 1960 geborene russische Komponist sein Stück ‘The Nortth’, für 12 Sopranblöckflöten, die 34 Minuten lang weitgehend lang gezogenen Kantilenen spielen. Die Musik diene zur Atemregulierung, meint der Komponist, wer es sich anhöre dessen Atem werde regelmäßig und fühle sich auch richtig an. Ein seltsames Werk, zu hören auf einer sehr kurzen CD von Fancymusic (# 028).