Leidenschaft ohne Pathos
Rachmaninovs gewaltige Zweite Klaviersonate, die ‘Variationen über ein Thema von Corelli’ op. 42 und die ‘Moments musicaux’ op. 16 bilden das anspruchsvolle Programm einer CD der russischen Pianistin Evelina Vorontsova. Die 1972 in Moskau geborene Musikerin spielt ungemein klangvoll – nicht kraftmeierisch, aber wirklich sonor. Die Phrasierungen sind raffiniert konzipiert, die Tempi von größter Justesse. Mit Rachmaninovs romantischem Ausdruck geht die Pianistin geschmackvoll um, sie frönt der Leidenschaft in der Musik, aber versüßt sie nicht. Besonders gut gelungen ist das Spiel mit kontrastierenden Farben. Die Aufnahme des reichlich metallischen Klavierklangs ist relativ hallig, und das reduziert die dynamischen Veränderungen und verwischt im Klang einiges, was ich mir konturierter gewünscht hätte (STH Quality Classics CD 1416092).

Zwischen Mensch und Gott
Die Schweizer Sopranistin Rachel Harnisch singt den Liederzyklus ‘Das Marienleben’ von Paul Hindemith, den der Komponist 1923 auf Gedichte von Rainer Maria Rilke (1875-1926) schrieb, in der 2. Fassung von 1948. Der Zyklus beschreibt Marias Leben und Leiden, so wie der Dichter die Figur in der Bibel aber auch in Marienbildern von Tizian oder Tintoretto und anderen gesehen hatte. Der Zyklus beginnt mit der Marias Geburt, berührt wichtige Etappen im Leben Jesu Christi, findet einen Höhepunkt im Schmerz über den Verlust des Sohnes und endet mit Marias eigenem Tod. Rilke beschreibt das alles sehr leidenschaftlich und gleichzeitig auch poetisch und einfühlsam, und so ist auch die Musik von Hindemith. Gerade den Charakter einer zwischen Menschheit und Göttlichem pendelnden Figur bringen die Sängerin und ihr Pianist Jan Philip Schulze mit einem nuancenreichen und immer spannungsvollen Musizieren sehr gut zum Ausdruck (Naxos 8.573423).

Virtuose Klarinettenmusik
Der Wiener Klarinettist Andreas Ottensamer spielt auf der Decca-CD ‘New Era’ zusammen mit der exzellenten ‘Kammerakademie Potsdam’  Klarinettenkonzerte von Johann Stamitz, das Concertino von Danzi und Bearbeitungen von Mozart-Arien. Ottensamer spielt virtuos und beeindruckt mit der souveränen Leichtigkeit seines Musizierens sowie einer exquisiten Phrasierungskunst und wunderschönen Legatobögen (Decca 4814711).

Mulmiger Klavierklang
Der 38-jährige deutsche Pianist Severin von Eckardstein spielt Schumanns Fantasiestücke op. 12 und op. 111 sowie die Fantasie op. 17. Es fällt schwer, sich an den mulmigen Klavierklang zu gewöhnen. Er verhindert Brillanz, Klarheit und mithin die Schattierungskunst des Pianisten. Aber Eckardstein ist ohnehin keiner, der – wie Martha Argerich etwa – Schumann mit Licht- und Schattenspielen aufregend werden lässt. Er verlässt sich auf Rubato, rhythmische Akzente und eine kantable Poesie, wo sie denn angebracht ist. Insgesamt bleibt das aber alles recht extrovertiert, und meine guten Erinnerungen an die C-Dur-Fantasie auf der Platte von Gaspard Dehaene lässt Eckardstein nicht verblassen… (Cavi 8553366).

Unbefriedigende Tonaufnahme
Marc Minkowski hat mit seinen ‘Musiciens du Louvre’ Bachs ‘Johannes-Passion’ BWV 245 aufgenommen. Sie reiht sich ein in die Reihe von Aufnahmen, die das Dramatische dieser Komposition betonen. Minkowski dirigiert flüssig und kraftvoll, und die musikalische Umsetzung der Partitur ist mit ihrer packenden Energie zweifellos sehr gelungen. Das große ‘Aber’ kommt durch die Tonaufnahme, weil die Tontechnik die hallige Akustik der ‘Chapelle de la Trinité’ in Lyon nicht in den Griff bekam. Das Klangbild ist eng und privilegiert die Stimmen, die auf einem dunkel gefärbten, bassbestimmten und kompakten Instrumentalbild evoluieren, dem es eindeutig an Klarheit und Transparenz fehlt. Da wird man klanglich anderwärtig besser bedient (Erato 9029585405).

 

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