Hoch sensible Chopin-Interpretationen
Die kanadische Pianistin Janina Fialkowska hat auch für ihr 3. Recital mit Werken von Frédéric Chopin ein kohärentes Programm zusammengestellt, das mit einer sehr reflektiven Darstellung der Polonaise-Fantaisie op. 61 beginnt. Und dieses Reflektive bleibt während eines großen Teils des Programms eine Konstante der Interpretation, in den zwei ‘Nocturnes’, zwei Walzern, einem ‘Impromptu’, zwei ‘Préludes’.Sogar im kontrastreichen 4. Scherzo kommt nach dem hier besonders quirligen Beginn diese Nachdenklichkeit im Mittelteil zum Ausdruck, ehe das Verspielte wieder Oberhand gewinnt. Und dann wischt das knapp halbminütige ‘Prélude’ op. 28/14 etwas unwirsch jede Dramatik vom Tisch, und die Pianistin kehrt mit großer Sensibilität zum Kern der Chopin-Musik zurück, eben zu dem Reflektiven, dem Poetischen, in das sich durchaus auch dunkle Gedanken mischen können, wie Fialkowska mit einer eigensinnigen Rhythmik im ‘Prélude’ op. 28 Nr. 15 zeigt. Die Opposition von reflektiven, intimen und aufbrausenden Passagen vor der fast hektischen Coda gibt der 4. Ballade viel Ausdruckskraft. Ein schönes, hoch sensibel gedeutetes Programm! (Atma ACD2 2728)
Wunderlich, sehr reliefreich
Ein Nachschlag zu den Veröffentlichungen bei Gelegenheit von Fritz Wunderlichs 50. Todestag im September 2016 gibt es bei SWRMusic: kompiliert wurde ein Programm mit romantischen Arien aus ‘Die Lustigen Weiber von Windsor’, ‘Der Waffenschmied’, ‘Undine’, ‘Der Barbier von Bagdad’, ‘Don Carlo’, ‘Rigoletto’, ‘Die Verkaufte Braut’, ‘Der Kuhreigen’ und ‘Tosca’. Das sind eigentlich alles bekannte Hits aus Wunderlichs Repertoire, die freilich hier in einem ganz besonders guten Remastering vorgelegt werden. Man hat bei der überwiegenden Mehrheit der Aufnahmen den Eindruck, dass die Stimme durch ein Plus an Kontrast ein neues Relief erhalten hat, und damit mehr Frische und Spannkraft. Für Wunderlich-Fans ein Must! (SWR Music SWR19032CD)
Pralinen mit jungen Musikern
Ein dubioses Produkt präsentiert Sony unter dem Titel ‘Russian Soul’. Darauf wird den ‘LGT Young Soloists’, einem von Alexander Gilman geleiteten Projekt junger Musiker, die Gelegenheit gegeben, sich in musikalischen Leckerlis vorzustellen, kleinen, meist mehr oder weniger sechs Minuten langen Stücken, von Tchaikovskys ‘Valse-Scherzo’ bis zu Rachmaninovs 18. Variation aus der ‘Paganini-Rhapsodie’. Keine Substanz also und keine wirkliche Möglichkeit, die jungen Musiker – sie sind zwischen 12 und 23 – zu bewerten. Natürlich hört man, dass einige vielversprechend, andere weniger attraktiv spielen, aber gedient ist mit einem solchen Unternehmen eigentlich niemandem. Dass Sony die Sache nicht besonders ernst nimmt, zeigen die widersprüchlichen und fehlerhaften Angaben zu einigen Tracks sowie die schlechte Tonaufnahme, die die Solisten weit nach vorne stellt und das Begleitorchester unkonturiert im Hintergrund agieren lässt (Sony 88985430882).
Strauss aus Aldeburgh
Exzellente Richard Strauss-Einspielungen gibt es bei Linn mit den ‘Aldeburgh Strings’ und den ‘Aldeburgh Winds’. Das erstgenannte Ensemble spielt mit sehr differenzierendem, fein justiertem und gottseidank pathosfreien Gestus die ‘Metamorphosen’ und die ‘Serenade’, das Schwesterensemble beeindruckt mit einer genauso wohl dosierten und brillant gespielten Aufnahme der ‘Fröhlichen Werkstatt’, einer Symphonie für Blasinstrumente. Interessante und kohärente Kopplung, vorzügliche Darbietung, guter Ton! (Linn CKD538).
Erstveröffentlichung mit Fischer-Dieskau und Varady
Es geschah in Puccini’s ‘Il Tabarro’. Kurz vor dem Ende der Oper schob Dietrich Fischer-Dieskau einen Zettel in die Hand seiner Bühnenpartnerin Julia Varady. « Willst du mich heiraten? », stand darauf. Varady erinnert sich: « Ich war so überrascht, dass ich fast meinen Einsatz verpasste. » Die Sängerin wurde Fischer-Dieskaus immerhin schon vierte Ehefrau. Ihr gemeinsamer Lied-Auftritt am 26. Februar 1989 in der Deutschen Oper Düsseldorf wurde mitgeschnitten, aber nie veröffentlicht. Das holt Profil jetzt nach. Der Live-Charakter ist unüberhörbar, denn die beiden Stimmen umgarnen sich höchst spontan und dramaturgisch ganz im Sinne der Texte. Das gibt diesem Recital mit nicht mehr ganz frischen Stimmen eine besondere Note (Profil PH17028).