Gefühlvoll und charmant
Eine interessante Schumann-Klavier-CD hat die russische Pianistin Irina Chukovskaya herausgebracht. Im ‘Intermezzo’ op. 4, den ‘Fantasiestücken’ op. 12 und ‘4 Klavierstücken’ op. 32 besteht die Herausforderung darin, die Gefühlswallungen mit dem äußerlichen Charme zu vereinen. Die drei Stücke enthalten viele schnelle Miniaturen in diversen Allegro-Farben. Chukovskaya geht dem Gefühlsdrama nicht aus dem Weg, wie etwa (um nur dieses Beispiel zu nennen) in dem expressiven ‘Aufschwung’ aus den ‘Fantasiestücken’, versenkt sich aber genauso sicher in die Sehnsucht von ‘Warum?’ oder die liebliche Ruhe von ‘Des Abends’. (Dux 1409)
Brahms auf dem Saxophon
Beide Klarinettensonaten und die Erste Cellosonate von Johannes Brahms hat der Saxophonist Nicolas Arsenijevic zusammen mit der Pianistin Françoise Buffet für Indésens eingespielt. Der Saxophonist hat sich die Musik wirklich auf erstaunliche Weise zu eigen gemacht. Er und die Pianistin spielen die drei Werke mit dem heiligen Ernst für große Musik, kantabel und mit viel Feinfühligkeit. Das Aufnahmebild ist transparent, brillant und präsent. Die CD zeichnet sich mithin durch Repertoirewert und mustergültige Interpretationen aus. (Indésens INDE096)
Die komplette ‘Dornröschen’-Musik
Eine opulente und dynamische Fassung der vollständigen Ballettmusik von Tchaikovskys ‘Dornröschen’ dirigiert Vladimir Jurowski mit dem ‘State Academic Symphony Orchestra of Russia Evgeny Svetlanov’ bei Ica Classics. Es ist eine Liveaufnahme von 2013, die qualitativ mehr oder weniger gleichzusetzen ist mit der Pletnev-Aufnahme (DG) und der LSO-Einspielung mit Previn bei Warner. (ICAC5144)
Bruckner und Takemitsu
Eine gute, aber keinesfalls herausragende Interpretation von Anton Bruckners Neunter Symphonie gibt es auf dem Label des ‘Tonkünstler- Orchesters’ unter der Leitung von Yutaka Sado. Einen gewissen Katalogwert hat die SACD wegen der Aufnahme von Toru Takemitsus ‘Ceremonial, An Autumn Ode’ für Sho & Orchester, das bisher nur in einer einzigen Aufnahme unter der Leitung von Seiji Ozawa erhältlich war. Mit ihr kann es Yutaka Sados stimmungsvolle Interpretation problemlos aufnehmen. (TON2004)
Gefällige Cello-CD
Eine unterhaltsame CD mit viel netter Musik präsentiert die junge franko-belgische Cellistin Camille Thomas bei Deutsche Grammophon. Das Programm enthält als substanzreichste Stücke das fein sorgsam gespielte Erste Cellokonzert von Saint-Saëns sowie dessen anmutige Cellosuite op. 108. Es folgen eine Reihe von kleinen Stücken, meist in Arrangements, von Saint-Saëns und Jacques Offenbach. Camille Thomas wird akkurat begleitet vom ‘Orchestre National de Lille’ unter seinem Chefdirigenten Alexandre Bloch. (4797520)
Das Damenquintett
Das französische ‘Quintette Aquilon’ widmet sich auf seiner neuesten CD dem französischen Repertoire mit Quintetten von Claude Arrieu, André Jolivet, Marcel Bitsch und Jean-Michel Damase. Die Damen zeichnen sich dabei erneut als exzellente Musikerinnen aus, die die ganz verschiedenartigen Stimmungen zu Gehör bringen und sich sowohl im Humorigen-Leichten auskennen, wie es bei Arrieu vorkommt, als im Zart-evokativen, wie es Jolivet neben Verspieltheit in seiner ‘Sérénade’ verarbeitet hat. Das lebhafte Spiel des Quintetts ist überall von französischer Eleganz. (Klarthé 070.168)
Marteau-Lieder, mit opernhaftem Pathos
Vesselina Kasarova, singt bei Solo Musica Lieder von Henri Marteauin Weltersteinspielungen: die erst 2016 entdeckten ‘Lieder für Gesang und Klavier’ op. 19c und die ‘Acht Gesänge mit Klavierbegleitung’ op. 28. Zusätzlich gibt es als Zuckerl die ‘Fünf Schilflieder’ für Bariton op. 31 mit Dietrich Fischer-Dieskau, der diese Lieder 1956 beim NDR aufgenommen hatte, wo sie kürzlich erst im Archiv wiederentdeckt wurden. Der Vergleich zwischen beiden Stimmen ist niederschmetternd. Ich bin entsetzt über die verfallene, vibrierende, monochrome Stimme der Kasarova. Bei Fischer-Dieskau hingegen versteht man jedes Wort, und er singt die Lieder intim, wie man es tun soll und nicht so gewaltig, opernhaft aufgeblasen wie Kasarova. (SM 263)
Flöte und Gitarre
Grzegorz und Jan Cimoszko präsentieren mit dem Album ‘Crossings’ eine Auswahl von Werken für Flöte und Gitarre, die meisten sind Originale, nur zwei sind Bearbeitungen. Neben Mauro Giulianis ‘Grand duo concertant’, Frédéric Chopins ‘Variations sur un Thème de Rossini’ und der Sonatine für Flöte und Gitarre op. 205 von Mario Castelnuovo-Tedesco sind das Zwischenspiel ‘Entracte’ von Jacques Ibert, die ‘Fantaisie brillante sur l’opéra Carmen de Bizet’ von Francois Borne sowie ‘Histoire du Tango’ von Astor Piazzolla zu hören. Die Cimoszkos spielen mit großer Klangsensibilität und legen Wert auf die melodische Linie. So kommt eine äußerst lebendige Darstellung zustande. (Gramola 99143)
Benedetti Michelangeli mit 39 wertvollen Minuten Bach und Beethoven
Orfeo publiziert einen lange in Archiven vergessenen Konzertmitschnitt von Arturo Benedetti Michelangeli vom 7. August 1965 in Salzburg. Gleich in der Chaconne aus der 2. Partita (Busoni-Fassung) fasziniert der italienische Pianist mit einem überaus reichen und einfühlsam gestalteten Spiel. Das zweite Werk der mit nur 39 Minuten außergewöhnlich kurzen CD ist Beethovens Dritte Sonate. Benedetti Michelangeli spielt den ersten Satz rigoros dezidiert, mit kühler Virtuosität. Das Adagio ist dafür umso emotionaler, das Scherzo sehr verspielt, das Allegro assai drängend rasant. Kein Geniestreich, aber eine Interpretation, die in ihrer Strenge doch interessant ist. (Orfeo C943171)