RAVEL, OPFER DER AMUSIE
Eine reizvolle Videoproduktion von Belvedere befasst sich mit den letzten Jahren von Maurice Ravel, als Ravel an Amusie litt, einer auditiven Agnosie, die ihn daran hinderte, Musik, die er im Kopf hatte, aufs Papier zu bringen. Amusie wird auch als Krankheit der ‘tauben Seele’ bezeichnet. Und so heißt der Film denn auch ‘Konzert für eine taube Seele’. Ragna Schirmer spielt im Film Musik, die Ravel viel früher komponiert hatte und die so ausgewählt wurde, um die einzelnen Szenen musikalisch wirkungsvoll zu untermalen. Und diese Szenen werden von Puppen gespielt! Die Produktion wurde im Puppentheater Halle gefilmt. Thematik, Art der szenischen Aufbereitung und Musik vereinen sich zu einem höchst bewegenden Spiel, das wirklich etwas ganz Besonderes ist und daher unbedingt empfehlenswert (10150).
AUS KISSINS JUGEND
Evgeny Kissin steht im Mittelpunkt des Films ‘The Gift Of Music’ von Christopher Nupen, und darin kommt die Musik letztlich am meisten ‘zu Wort’, vielleicht weil Nupen sagt, Kissins Kunst sei gar nicht mit Worten zu erklären. Dennoch erfährt man so manches über den jungen Russen, denn das war er damals noch, als der Film gedreht wurde, Mitte der Neunzigerjahre, als Kissin 24 und 25 Jahre alt war. Heute ist er Israeli und so manches hat sich verändert in seinem Leben. Doch das wird erst in einem anderen, noch zu drehenden Film gezeigt werden können. Etwas unehrlich ist es schon, auf dem Coverblatt der Videodisc nirgends zu vermerken, dass der Films schon fast zwanzig Jahre alt ist – so herausragend er auch gemacht sein mag (Allegro Films A18CND).
TANZTHEATER ÜBER MODIGLIANI
‘Modigliani, the Cursed Artist’ (Modigliani, der verfluchte Künstler) heißt ein Ballett von Thomas Edur an Estlands Nationaloper. Das Ballettstück erzählt eine Geschichte über das bewegte Leben Amedeo Modiglianis (1884 – 1920), einem der berühmtesten Bohème-Künstler des 20. Jahrhunderts. Um Modiglianis Leben ranken sich zahlreiche Legenden über sein exzentrisches Wesen, seine leidenschaftlichen Affären mit Frauen, aber auch über Gesundheitsprobleme und die ersten Anzeichen der Tuberkulose, welche er exzessiv durch Alkohol- und Drogenkonsum zu kaschieren versuchte. Das alles floss in dieses Tanztheater ein, in dem Anatoli Arhangelski wunderbar ausdrucksvoll die Titelrolle tanzt. Die eher diskrete, aber gefällige Musik stammt von Tauno Aints. Ein interessanter Film für Ballett- und Kunstfreunde (Estonian Record Productions ERP 7814)
FÜR FANS DES THOMANERCHORS
Ein Mitschnitt vom Bachfest 2013 aus der Thomanerkirche Leipzig zeigt Johann Sebastian Bachs Messe h-moll BWV 232 mit dem Thomanerchor Leipzig und dem Freiburger Barockorchester unter Georg Christoph Biller, der in seinem Dirigat vor allem den Chor unterstützt, dessen Gesang von wirklich beeindruckender Qualität ist. Das Freiburger Barockorchester leidet unter einer Mikrophonierung, die den Streichern viel an Präsenz raubt. Und es mutet schon komisch an, wenn man in Grossaufnahmen sieht wie sich die Geiger-innen abmühen und ihr Klang nur sehr gedämpft zu hören ist. Die Partien der Gesangssolisten sind passend besetzt. Der Katalogwert beschränkt sich aber letztlich auf den ‘Star’ der Aufnahme, den Thomanerchor (ACC20281).
WAGNER VERSUS VERDI
Eine sechsteilige Dokumentation befasst sich mit Giuseppe Verdi und Richard Wagner, zwei Antipoden der Musikgeschichte. Die Reihe beschäftigt sich unter den verschiedensten Aspekten mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Komponisten. Die Ansätze sind sehr verschieden, gehen aber immer vom ‘Gewussten’ aus; d.h. um das zu verstehen, was in den Filmanalysen gesagt wird, muss der Zuschauer ein Basiswissen über beide Komponisten und ihre Zeit haben, nicht zuletzt um das relativieren zu können, was manchmal sehr gewagt formuliert wird. Die Filme greifen ohnehin nur ganz spezifische Fragen auf, die immer nur Puzzleteile eines Gesamtbildes sein können, das hier nicht entworfen wird und für das musikalische Verständnis auch nicht unbedingt wichtig sind. Wagner wird dabei logischerweise als Mensch und Komponist viel mehr in Frage gestellt als Verdi. Aber auch das ist nur ein Aspekt in der Debatte, die letztlich Wagner hier wichtiger werden lässt als den Italiener. Mein Eindruck ist, dass in diese Dokumentarfilmreihe zu viel hineingepackt wurde, zu viele Informationen gegeben werden, die, oft nur bruchstückhaft verarbeitet, den Zuhörer eher verwirren als ihn verlässlich informieren können. Der Grundansatz der sechs Filme scheint die Provokation gewesen zu sein, die Auseinandersetzung. Umso kritischer muss der Zuschauer damit umgehen… Wer das kann, wird 150 interessante und bereichernde Minuten vor dem Bildschirm verbringen (Arthaus Musik 108120).