Ohne Theobald Böhm wäre das moderne Flötenspiel nicht denkbar. Es ist dem Erfindergeist des Musikers und Instrumentenbauers aus München zu verdanken, dass die Querflöte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts über neue technische und klangliche Möglichkeiten verfügte.
Um seine neueste Entwicklung auch unter die Leute zu bringen, komponierte Böhm selbstverständlich für sein Instrument und interpretierte die Werke auch selbst. Es ist demnach nur logisch, dass eine Böhm-Komposition auf dieser Einspielung mit Dorothea Seel zu finden ist, ebenso wie die unumgängliche Undine-Sonate von Reinecke und Dopplers ‘Fantaisie pastorale’. Mit Werken von Strauss und dessen Lehrer Rheinberger vervollständigt sich der Querschnitt durch die romantische Flötenmusik.
Dorothea Seel spielt auf einem historischen Instrument, einer Flöte des von Böhm inspirierten Julius Max Bürger – ein Instrument, das weniger klangmächtig ist als heutige Flöten. Aber Dorothea Seel kommt es auch gar nicht auf Klangkraft, sondern Strahl- und Ausdruckskraft an. Und hier überzeugt die Musikerin vollauf, weil sie sich nicht vom romantischen Virtuosentum blenden lässt. Die technischen Finessen haben selbstverständlich auch ihren Platz – etwa in Dopplers ‘Fantaisie’ – aber Dorothea Seel kostet vor allem die erzählerischen Momente der Kompositionen aus. Reineckes ‘Undine’-Sonate gibt von Beginn an den Ton der Einspielung vor. Die Flötistin und ihr Partner am Hammerklavier entführen uns in die Mäander der seelischen Konflikte, die Reinecke seine Protagonistin durchleben lässt: Sie schildern die Natur, Undines Lebenswelt, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihr Streben nach menschlicher Gestalt, die enttäuschte Liebe. Es ist eine Lehrstunde, wie man binnen 20 Minuten auf zwei Instrumenten einen ganzen Kosmos an Emotionen entstehen lassen kann.