Dieses Passionsoratorium gehört zu einer Reihe von bis zu sechzig Werken dieser Art, die Telemann im Laufe seines Lebens geschaffen hat, um die Anforderung an jährlich ein neues Werk zur Karwoche zu erfüllen. Er wählt in diesem Fall eine freie Paraphrase über den Leidensweg, den er mit betrachtenden Texten beleuchtet. So schafft er in neun Bildern vom Abendmahl über den verklagten und bespeyeten Jesus sowie Petri Buße und den gekreuzigten Jesus bis hin zu dem ins Grab gelegten Jesus ein Panorama, das er mit expressiven Stilmitteln belebt, ohne eine sakrale Oper daraus zu machen. Es lässt sich nachvollziehen, dass das Werk wiederholt aufgeführt wurde und sich somit großer Beliebtheit erfreute.
Da er nur gezielt Vorstellungen hervorrufen möchte, benötigt er nur eine sehr limitierte Besetzung, die mit Christus und der Allegorie der Andacht auskommt. Nur punktuell mit jeweils einer Arie kommen noch Petrus, Caiphas sowie Kirche und Glaube hinzu. Die unterschiedlichen Sichten auf das Thema werden auch durch, hier solistisch besetzte, Chöre sowie die farbenreiche Instrumentation mit Streichern und doppelt besetzen Bläsern mit Flöte, Oboe, Schalmei, Fagott und Horn abwechslungsreich hervorgehoben.
Das Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz gelingt es einmal mehr beeindruckend, die Schichten einer Komposition mit inspirierter Klangrede zu atmen und den Zuhörer vom ersten Ton an bis zum Schluss mit sich zu reißen. Unbändige Spielfreude gepaart mit den technischen Möglichkeiten und den Ausdrucksnuancen schafft ein vielschichtiges Musikerlebnis.
Die Sängerriege schließt sich dem makellos an. Der Jesus von Peter Harvey verströmt die sonore Würde und Gelassenheit des sich Opfernden, die in der tiefen Stimme, hier mit einem Bariton Richtung Bass, angelegt ist. Die Andacht, also die betrachtende Sicht, wird zwischen Anna Lucia Richter, Sopran, und Colin Balzer, Tenor, geteilt. Durch diese Teilung gewinnen die Betrachtungen eine zusätzliche Ebene, die den nachdenklichen Ansatz dieser Form weiter stützt. Während Richter geschmackssicher und nuanciert ihre Partien licht gestaltet, prägt Balzer ebenso mit Eleganz die Verinnerlichung in das Leiden Jesus. In den kleinen Rollen überzeugen ebenso Michael Feyfar als Petrus und Henk Neven als Caiphas sowie im Chor Hanna Zumsande und Julienne Mbodjé.
Abgerundet wird diese mitreißende Einspielung durch eine gepflegte technische Realisierung.