Karol Beffa: Les Ruines Circulaires + Talisman + Destroy + Tenebrae + Le Bateau ivre; Quatuor Renoir, Karol Beffa, Sanja Bizjak, Klavier, Patrick Messina, Klarinette, Lyodoh Kaneko, Young-Eun Koo, Violine, Allan Swieton, Viola, Marlène Rivière, Cello, Gustav Villegas, Flöte, Guillaume Chilemme, Violine, Léa Hennino, Viola, Victor Julien-Laferrière, Cello, Orchestre philharmonique de Radio France, Pascal Rophé, Orchestre national de France, Alain Altinoglu; 1 CD Klarthe K097; Aufnahmen 2002-2018, Veröffentlichung 10/04/2020 (61') - Rezension von Remy Franck
Der französische Komponist Karol Beffa hat ein Faible für die Literatur des Argentiniers Jorge Luis Borges. Auf eine seiner Novellen bezieht sich seine Komposition Les Ruines Circulaires aus dem Jahre 2002, mit der Klarthe diese Beffa-Anthologie einleitet.
In Les Ruines Circulaires macht sich ein erfahrener Zauberer daran, einen Menschen mit seiner magischen Vorstellungskraft zu erschaffen. Er zieht sich von der Welt in die Ruinen eines verlassenen, von mystischen Kräften durchdrungenen Tempels zurück, und versucht dort aus seinen Träumen einen Sohn zu erschaffen. Er formt den Jungen, Stück für Stück, und ruft schließlich den Gott des Feuers an, um Leben in seine Schöpfung zu bringen. Der Gott stimmt zu, warnt den Zauberer aber davor, dass das Feuer mehr offenbaren könnte, als er wissen will. In dem darauf folgenden Inferno, dem er nicht entkommen kann, entdeckt der Zauberer zu seinem Entsetzen, dass er selbst in Wirklichkeit ein Hirngespinst der Phantasie eines anderen ist.
Die Musik ist mysteriös, sensuell, sie fließt ruhig, scheint sich wie eine 360-Grad-Kamerafahrt um die Ruinen zu drehen. Ein Touch von Tristan, von Pelléas…, sind die Ruinen jene von Karéol oder Allemonde? Ist es das Motiv der Sehnsucht, das die Musik so stark und ausdrucksvoll macht in dieser hervorragenden Aufnahme mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter Pascal Rophé?
16 Jahre später entstand Talisman, für Klarinette, Streichtrio und Klavier. Die Stimmung des ersten Satzes (Mystérieux) scheint direkt aus den Ruines Circulaires abgeleitet zu sein. Das Werk beginnt dämmrig-gespenstisch und setzt sich im zweiten Satz mit einem Frühlings-Duft fort. Der Komponist sagt zwar von diesem Satz, er sei düster und schaurig, aber das kann ich aus dieser Aufnahme nicht schlussfolgern. Ich empfinde den Satz eher als eine Musik, die das Eis aus dem ersten Satzes schmelzen lässt. Es folgen ein lebhafter dritter Satz, motorisch, streckenweise frenetisch, farbig, und ein langsames Finale, das in Analogie zum ersten Satz wiederum sehr mysteriös ist.
Destroy, für Streichquartett und Klavier, ist eine nervös pulsierende Musik mit sich verschiebenden Rhythmen und Schichten. Und wenn sie sich mal verlangsamt, wird sie auch gleich wieder unerbittlich angetrieben. Ungefähr in der Mitte des Stücks scheint sie auf der Stelle zu treten, weiß nicht mehr wohin, dreht sich im Kreis. Die Geige scheint in eine Art Trance zu geraten, dreht zum Veitstanz auf, den bald auch das Klavier übernimmt. Der Zuhörer wird furios hochgeschaukelt und, oben angekommen, in der Luft hängen gelassen.
Nach dem von zynisch-ironisch bis düster klingenden Tenebrae kommt Le Bateau ivre ein Orchesterkonzert, wie der Komponist sagt, das alle Register anspricht. Nach anfänglich sanftem Spiel seiner Wellen wird das Meer bewegter, ein brodelnder Orkan zieht auf, dessen Sturzwogen gegen Felsen schlagen, über denen der Seewind orgelt. Es ist als ob der Ozean, sich reckend und streckend, alles überfluten möchte, mit dem trunken auf ihm tanzenden Schiff, das zum Spielball einer unsterblichen See wird. Alain Altinoglu spornt das Orchestre National de France zu einer dramatisch-farbigen Interpretation an, die die orchestrale Wucht umsetzt, ohne je brutal zu werden.
Uns so geht diese Anthologie mit Werken des Komponisten Karol Beffa ebenso spannend zu Ende wie sie begonnen hat, mit fünf ausdrucksstarken, inspirierten und inspirierenden Werken, die sofort ansprechen. So unterschiedlich die Kompositionen auch sind, so haben sie doch alle jene dynamische Fluidität, die aus einem Hauch von Leben und poetischer Imprägnierung entsteht und sie einzigartig und wertvoll macht.
The French composer Karol Beffa has a thing for the literature of the Argentinean Jorge Luis Borges. His composition Les Ruines Circulaires from 2002, with which Klarthe introduces this Beffa anthology, refers to one of his novellas.
In The Circular Ruins, an experienced wizard, sets about to create a human being with his magical powers of imagination. He retreats from the world to the ruins of an abandoned temple infused with mystical powers. There the wizard tries to create a son from his dreams. He moulds the boy, piece by piece, and finally asks the god of Fire to bring life into his creation. The god consents but warns the wizard that fire might reveal more than he would want to know. In the inferno the wizard discovers that he himself is in fact a creation of someone else’s imagination. And as such an image he is immortal
The music is mysterious, sensual and flows calmly. It seems to revolve around the ruins like a 360-degree camera traveling. A touch of Tristan, of Pelléas… are the ruins those of Karéol or Allemonde? Is it the motif of longing that makes the music so strong and expressive in this excellent recording with the Orchestre Philharmonique de Radio France under Pascal Rophé?
Talisman, for clarinet, string trio and piano was composed 16 years later, yet the mood of the first movement (Mystérieux) seems to be directly derived from the Circular Ruins. The beginning is sinister and eery. Although the composer says of the second movement that it is gloomy and eerie, I cannot conclude that from this recording. For me, it is a music that melts the ice from the first movement. It is followed by a lively third movement, motoric, at times frenetic, colourful, and a slow finale, which is again very mysterious, in analogy to the first movement.
Destroy, for string quartet and piano, is a nervously pulsating music with shifting rhythms and layers. And when it slows down, it does not take long to be relentlessly driven again. Approximately in the middle of the piece, it seems to tread on the spot, no longer knowing where to go, spinning in circles. The violin seems to go into a kind of trance, turns into a St. Vitus’ dance, which is soon taken over by the piano. The listener is furiously rocked up and, at the end, left hanging in the air.
After the cynical-ironic to gloomy Tenebrae, Le Bateau ivre is an orchestra concerto, as the composer says, that appeals to all registers. After the initial gentle play of its waves, the sea becomes more agitated, a seething hurricane comes up, its crashing waves beating against the costal rocks. It is as if the ocean would like to flood everything, with the drunken ship dancing on the top of the waves. Alain Altinoglu spurs the Orchestre National de France on to a dramatic, colourful interpretation that implements the orchestral force without ever becoming brutal.
So, this anthology of works by the composer Karol Beffa ends as excitingly as it began, with five expressive, inspired and inspiring, immediately appealing works. As different as the compositions are, they all have that dynamic fluidity that comes from a breath of life and poetic impregnation as well, making them unique and valuable.