Als Daniel Harding 2007 mit den Wiener Philharmonikern Gustav Mahlers Zehnte Symphonie aufnahm, realisierte er die Schreie des Entsetzens im ersten Satz so intensiv, wie ich sie seither nicht mehr gehört habe.
Er zeigte aber auch den Weg vom Schmerz, vom Todesgedanken zum Licht, von dunkler Begräbnisstimmung zum Triumph des Lebens über den Tod, ein Triumph, dem auch böse Reminiszenzen nichts anhaben können.
Die Neunte sieht Harding in diesem Kontext als Vorbereitung auf das Drama der Zehnten.
Entsprechend ausdrucksstark ist seine Interpretation. Auffallend sind die langsamen Tempi des ersten Satzes mit ihrem Weltschmerz und ihren furchtbaren Todesahnungen – wie gehen diese Momente doch hier unter die Haut! Harding schneidet ins lebendige Fleisch!
Richtig täppisch, mitunter derb akzentuiert ist der zweite Satz, das Rondo erklingt sehr theatralisch und verzerrt, ehe der letzte Satz ungemein entspannt beginnt. Das verwirrt! Die Frage stellt sich, ob dem Dirigenten der Atem ausgegangen ist? Doch nein, es ist nur die Ruhe vor dem Ende, das nach dramatischem Aufbäumen schmerzvoll langsam und geflüstert erklingt. Da geht der Musik wirklich der Atem aus und der Zuhörer wagt auch schon fast nicht mehr zu atmen.
Das Schwedische Rundfunkorchester stellt einmal mehr sein hohes Niveau unter Beweis.
Und letzten Endes sollte hier auch Mahler selbst nicht vergessen werden, der mit dieser Symphonie ein Werk schuf, das in so vielen grundlegend verschiedenen Interpretationen den Hörer immer wieder fasziniert ergreift und somit neu bereichert. Das ist auch hier der Fall.