Der Österreicher Hans Rosbaud wurde 1928 der erste Chefdirigent des Symphonieorchesters des Hessischen Rundfunks. 1937 wurde er Generalmusikdirektor in Münster, 1941 Chefdirigent des ‘Orchestre Philharmonique de Strasbourg’. 1945 verpflichteten ihn die Amerikaner als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, und 1948 kam er auf den Posten, für den er am besten in Erinnerung ist: Chefdirigent des Südwestfunk Orchesters in Baden-Baden. Er starb 1962 in Lugano.
Hans Rosbaud hat in seiner Baden-Badener Zeit Großes geleistet und mit dem Orchester den Grundstein zu dessen Renommee als eines der besten Orchester für zeitgenössische Musik gelegt. Dass er auch ein großartiger Bruckner-Dirigent war, zeigt diese Box mit allen Symphonien, ausgenommen die Erste.
Nun sind diese Aufnahmen, teilweise zumindest, auf diversen Labels in piratierten, mit falschen d.h. früher gesetzten Aufnahmedaten veröffentlicht worden, nicht selten in grauenhafter Tonqualität und mit Verstümmelungen (so mit einem Adagio aus der Achten, bei dem gut 10 Minuten der Originalaufnahme fehlten).
SWR Music hat nun die Originalbänder bearbeiten lassen und legt die Einspielungen in einer für die Zeit der Aufnahmen, 1955-1962, akzeptablen Monoqualität auf.
Die Frage ist, ob es sich lohnt, sich diese Aufnahmen anzuhören? Sagen wir es mal so: Bringen werden sie nur wirklichen Bruckner-Spezialisten etwas, und Sammler werden froh sein, dass die Rosbaud-Einspielungen nun in einer vertrauenswürdigen Ausgabe zur Verfügung stehen. Auch Rosbaud-Sammler werden sie nicht verpassen dürfen.
Ansonsten zeigen sie uns einen ‘modernen’ Bruckner-Dirigenten an der Spitze eines technisch nicht eben herausragenden Orchesters. Rosbaud dirigiert sehr zupackend, oft schnell, manchmal sehr schnell und sogar brüsk, insgesamt sehr dezidiert und streng. Ich vermeide bewusst das Wort ‘kühl’, denn es könnte bedeuten, dass die Interpretationen gefühllos sind, was aber durchaus nicht der Fall ist, trotz der unerbittlichen Rhythmik. Wären die Aufnahmen transparenter, könnte der schlanke Klang eine durchaus interessante Wirkung ergeben.
Noch einige Angaben zu den Fassungen, die gespielt werden: In einer Zeit, als die Originalfassungen der meisten Symphonien kaum beachtet wurden oder gar nicht vorhanden waren, dirigierte Rosbaud die jeweils letzte Fassung der Symphonien 2 und 3. Für die Vierte und Fünfte benutzte er die zweite Fassung. Die Symphonien 6 und 7 liegen in der Originalfassung vor und die beiden letzten Symphonien jeweils in der zweiten und jeweils letzten Fassung.
With this official release Hans Rosbaud’s Bruckner recordings are available for the first time in an accurate remastering. In his time, Rosbaud was a modern Bruckner conductor, and his account of the available eight symphonies is characterized by rather quick tempi, clear structures, a slender sound and a relentless rhythmic progression.