Rezension von Alain Steffen – Sie gehört zu den talentiertesten Violinistinnen ihrer Generation und geht dabei ihren eigenen Weg. Kein Mainstream, sondern persönliche, interessante und spannende Musikprojekte sind das, was Lea Birringer will. Mal im Duo mit ihrer Schwester Esther, mal mit Orchester oder, wie bei ihrer neuen CD, alleine. Da gehört Mut dazu, denn gerade CDs mit einem Soloinstrument zeigen gnadenlos die Fähigkeiten und Grenzen eines Interpreten auf, und das sowohl in spieltechnischer wie auch in gestalterischer Hinsicht.
Bei Lea Birringer braucht man sich keine Gedanken über Grenzen zu machen. Ihr Spiel besitzt eine perfekte Technik und garntiert darüber hinaus Schönheit und Expressivität in Vollendung. Lea Birringer ist eine Violinistin, die auf gleichem technisch hohem Niveau spielt wie eine Anne-Sophie Mutter oder eine Isabelle Faust, ihr Spiel besitzt die gleiche Flexibilität und Wärme wie das einer Julia Fischer oder Janine Jansen. Und es scheint Lea Birringer Spaß zu machen, sich momentan noch außerhalb der großen Musikzentren zu bewegen und sich und ihrem Publikum mit ihren Programmen eine authentisch gemeinte Freude zu bereiten. Wie mit ihrem rezenten Album Transformation.
Auf ihm spielt Lea Birringer Bekanntes und weniger Bekanntes für Solo-Violine, wie eben die Partita Nr. 3 von Bach oder die Violinsonate op. 27/2 von Eugène Ysaÿe, die sie als eine sehr werkkundige Interpretin ausweisen und beide Werke in vollendeter Gestaltung anbieten. Spannend wird es dann mit Präludium und Fuge op 117/6 von Max Reger, Lera Auerbachs par.ti.ta und Ernst-Lothar von Knorrs Partita für Solo-Violine. Gerade diese Zeitsprünge, die vom 18. bis ins 21. Jahrhundert führen zeigen, wie sich die Behandlung der Violine als Soloinstrument ‘transformiert’ hat. Die CD beginnt mit Bach und schließt mit Auerbachs par-ti-ta, die wiederum eine Huldigung an den großen Johan Sebastian Bach ist. Dazwischen ist insbesondere die Partita von Ernst-Lothar von Knorr (1896-1973) von großem Interesse. Aber es ist dies eine CD, die man gerne in einem Zuge hört. Beim zweiten oder dritten Hören eröffnen sich noch immer neue Perspektiven.
She is one of the most talented violinists of her generation and goes her own way. No mainstream, but personal, interesting and exciting music projects are what Lea Birringer wants. Sometimes in a duo with her sister Esther, sometimes with an orchestra or, as with her new CD, alone. This takes courage, because CDs with a solo instrument mercilessly reveal the abilities and limits of a performer, both in terms of playing technique and interpretation.
With Lea Birringer, there is no need to worry about limits. Her playing possesses a perfect technique and furthermore garnishes beauty and expressivity to perfection. Lea Birringer is a violinist who plays at the same technically high level as an Anne-Sophie Mutter or an Isabelle Faust, her playing has the same flexibility and warmth as that of a Julia Fischer or Janine Jansen. And it seems to be fun for Lea Birringer to move outside the big music centers at the moment and to give herself and her audience an authentically meant pleasure with her programs. Like with her recent album Transformation.
On it, Lea Birringer plays well-known and less well-known works for solo violin, such as Bach’s Partita No. 3 or the Violin Sonata op. 27/2 by Eugène Ysaÿe, which show her to be a very knowledgeable interpreter and offer both works. Things then get particularly exciting with Prelude and Fugue op 117/6 by Max Reger, Lera Auerbach’s par.ti.ta and Ernst-Lothar von Knorr’s Partita for solo violin. It is these leaps in time, leading from the 18th to the 21st century, that show how the treatment of the violin as a solo instrument has been ‘transformed’. The CD begins with Bach and closes with Auerbach’s par-ti-ta, which in turn is a tribute to the great Johan Sebastian Bach. In between, the Partita by Ernst-Lothar von Knorr (1896-1973) is of particular interest. But it is the whole CD that one likes to listen to in one go. On the second or third listen, new perspectives still open up.
Rezension von Guy Engels – ‘Transformation’ hat Lea Birringer ihr neues Album überschrieben, ‘Verdichtung’ wäre ein passenderer Titel gewesen. Denn genau das passiert nämlich in den 76 Minuten Musik, die von Bach bis Auerbach, vom 18. Jahrhundert bis heute reicht.
Bach dient Lea Birringer als Wegweiser in ihrem Programm (so nachzulesen im Booklet). Die Partita BWV 1006 gestaltet die Geigerin fein strukturiert und differenziert mit einer leichten, schwebenden Bogenführung.
BWV 1006 ist der Ausgangspunkt von Lea Birringers musikalischer Zeitreise, die sich über Max Reger und Eugène bis hin zu Lera Auerbach zusehends verdichtet. Regers Präludium und Fuge klingt noch ein Stück weit extrovertiert, ohne dass die Geigerin den spätromantischen Bogen überspannt.
Spätestens in Eugène Ysaÿes Sonate taucht Lea Birringer in ungeahnte poetische Tiefen, verinnerlicht und durchdringt das musikalische Material auf atemberaubende Art und Weise. Gleiches gelingt ihr in Lera Auerbachs par.ti.ta von 2007, die im Grunde als Dekonstruktion von Bachs Kompositionskunst angelegt ist, in dieser Interpretation aber auf eine Sublimierung von Bachs Meisterschaft hinausläuft.
‘Transformation’ is the title of Lea Birringer’s new album, ‘Condensation’ would have been a more appropriate title. Because that is exactly what happens in the 76 minutes of music, which ranges from Bach to Auerbach, from the 18th century to today.
Bach serves Lea Birringer as a guide in her program (as can be read in the booklet). The violinist performs the Partita BWV 1006 in a finely structured and differentiated manner with a light, floating bowing.
BWV 1006 is the starting point of Lea Birringer’s musical journey through time, which visibly thickens via Max Reger and Eugène to Lera Auerbach. Reger’s Prelude and Fugue still sounds a bit extroverted, without the violinist overstretching the late romantic arc.
In Eugène Ysaÿe’s Sonata at the latest, Lea Birringer dives into undreamed-of poetic depths, interiorizing and penetrating the musical material in a breathtaking manner. She achieves the same in Lera Auerbach’s par.ti.ta from 2007, basically conceived as a deconstruction of Bach’s compositional art, but in this interpretation above all a sublimation of the Thomaskantor’s mastery.