Mit einem Konzert im Rahmen des VP Bank Classic Festivals hat das Ensemble Esperanza ein denkwürdiges Konzert gespielt, wie Remy Franck berichtet, ein Konzert, das einmal mehr den singulären Rang dieser Formation unter Beweis stellte.
Der Auftakt war leicht und lebhaft mit der Pintarichiana für Streichorchester von Boris Papandopulo und der Kontrast zum folgenden Stück entsprechend groß: Esperanza spielte Dmitri Shostakovichs Kammersymphonie in c-Moll, op. 110a und versenkte sich derart in diese Komposition, dass es zu einer tief ergreifenden Interpretation kam, zweifellos der besten, die ich je gehört habe.
110a ist Shostakovich in seiner reinsten Form, ohne Selbstgefälligkeit, ohne Maske, ohne Ironie, ohne das Groteske, das sonst seine Musik oft prägt. Diese totale Ehrlichkeit der Musik gegenüber, dieses Unverfälschte der Interpretation von Esperanza machten diesen Aufschrei gegen Totalitarismus jeglicher Art so bewegend. Es gelang den Musikern mit einer seltenen Intensität und viel kreativer Energie, Shostakovichs Gefühle von Angst und Unterdrückung, die in diesem sehr autobiographischen Werk zum Ausdruck kommen, deutlich werden zu lassen.
Der Kontrast zwischen den heftigen und hier völlig richtig nicht knallig, sondern breit und dumpf gestalteten Schlägen der Streicher und der Süße von Erinnerungen an bessere Tage war bedrohlich, und als die Musik leise und reflektiv ausklang, blieb das Publikum lange tief erschüttert ruhig sitzen, ehe der Applaus dann aber umso stärker aufbrandete. Esperanza hatte den Seelenschrei Shostakovichs mit einer Wahrhaftigkeit umgesetzt, die keinen im Saal unberührt gelassen haben dürfte.
Doch nicht nur dieses interpretatorische Engagement der jungen Leute verdient gewürdigt zu werden. Auch das rein Spieltechnische, die Klangkohärenz des Streicherchors waren einmal mehr faszinierend, genau wie die großartigen Soli des Sollocellisten Moritz Huemer und der Konzertmeisterin Chouchane Siranossian, deren lyrischer Gesang auf ihrer Violine eines der Markenzeichen dieser Interpretation war und werden wird, wenn das Werk einmal auf der nächsten Schallplattenproduktion von Esperanza zu hören sein wird.
Wie gesagt: ich kenne zwei, drei gute Einspielungen dieser Kammersymphonie und habe sie oft im Konzert gehört. So ergriffen wie gestern war ich noch nie!
Und ist es nicht das schönste Geschenk für die Musiker, dass beim Frühstück im Grand Hotel Gäste des Konzerts nur noch von diesem einmaligen Erlebnis sprachen und einigen dabei die Tränen kamen? Das ist die Nachhaltigkeit des musikalischen Erlebnisses, das auch in den Alltag mitgenommen wird und sich im Bereich des Unvergesslichen ansiedelt.
Nach der Pause folgten zunächst die Zwei Intermezzi für Streicher, op. 12, von George Enescu, sehr einfühlsam, sehr klar formuliert, fein ausgewogen und nuanciert. Und danach kam das zweite Highlight des Abends, die Streichersinfonie mit Pauken des armenischen Komponisten Edvard Mirzoyan (1921–2012). Dies ist eine einzigartige Komposition, im Grunde wohl neoklassisch, aber durch die Nähe zur armenischen Volksmusik und die Verbindung von Lyrismus, Schwermut, Drama und Tanz ebenso originell wie attraktiv.
Mirzoyans Komposition quillt über von Ideen, die nur so sprudeln und, weil nicht wahllos aneinandergereiht, einen dramaturgischen Ablauf ergeben, der Sinn macht und den Hörer als musikalisches Panoptikum begeistert. Das Ensemble Esperanza spielte mit unvergleichlichem Eifer und hörbarer Spielfreude, klangreich und mit dichtem Sound, effektvoll, um das Werk in seiner ganzen Vielfalt erfahrbar zu machen. Das differenzierte, transparente und homogene Zusammenspiel hatte ein Niveau, wie man es bei solchen Streichorchestern nur selten hört. Auch hier fiel die Qualität der berückenden Soli von Chouchane Siranossian auf. Ihr goldwarmer Geigenklang hob sich ätherisch aus dem Streicherchor hervor.
Das Publikum zeigte sich begeistert ob dieser großartigen Entdeckung und erklatschte sich als Zugabe eine der Miniaturen von Komitas, für den Abend speziell eingerichtet in einer Fassung mit Pauken.