Musikalische Entdeckungen und Russische Klavierschule waren die beiden Konzerte übertitelt, die gestern beim VP Bank Classic Festival in Bad Ragaz stattfanden. Remy Franck berichtet für Pizzicato.
Die 14-jährige Clara Shen spielte, von Polina Sasko am Klavier begleitet, Tchaikovskys Valse-Scherzo und Pablo de Sarasates Caprice basque beschwingt und farbig. Der 2003 geborene kroatische Arsen Dalibaltayan hatte mit der von Guido Agosti arrangierten Stravinsky-Suite Lʼoiseau de feu ein technisch höchst anspruchsvolles Werk auf das Programm gesetzt, dem er vollauf gerecht wurde. Er spielte den ersten Teil brillant, gegen Schluss direkt ekstatisch, fand danach im Mittelteil in souveräner Ruhe sehr schöne Stimmungen, ehe er dann den Schluss effektvoll steigerte. Sehr beeindruckend!
Danach kam der 16-jährige deutsche Cellist Philipp Schupelius auf die Bühne und wurde von ICMA-Präsident Remy Franck als Preisträger des Discovery Award der International Classical Music Awards vorgestellt.
Er spielte zunächst die halsbrecherisch schwierige Transkription des Schubertschen Erlkönigs für Solocello von Bernhard Cossmann. Die komplexe Reduktion, die das ganze Drama in einer Stimme verdichtet, ist eine enorme Herausforderung, die Schupelius mit stupender Virtuosität meisterte. Die ganze Heftigkeit und den schaurigen Zugriff einer unfassbaren Macht setzte er in aufgeregter Weise um.
Ludwig van Beethovens Sieben Variationen über ‘Bei Männern, welche Liebe fühlen’ aus Mozarts Zauberflöte wirkten danach wie ein angenehmer Spaziergang, den der junge Cellist mit Polina Sasko am Flügel zurücklegte.
Mit fein nuancierter Phasierung arbeitete Schupelius die Kontraste zwischen kräftigeren und besinnlicheren Momenten eindringlich heraus, wobei sein Cello manchmal mit betörendem Lyrismus singen konnte. Letztlich aber gaben eigentlich beide Interpreten den verschiedenen Variationen so viel Finesse und Abwechslungsreichtum, dass das Zuhören zum genussvollen Miterleben wurde.
Ludwig van Beethovens Klaviertrio op. 1/3 war das letzte Stück im Programm und es wurde von Arsen Dalibaltayan, Clara Shen und Philipp Schupelius nicht draufgängerisch, sondern sehr stilvoll interpretiert, was für dieses frühe Werk passend ist. Nicht unbedingt das Drama, nach dem andere Interpreten gesucht haben, dominierte hier, sondern eine jugendliche Frische, wobei gerade Schupelius am Cello sehr keck agierte. Doch auch zu seelenvoll sensibler Hingabe war das Trio bereit, die langsamen Sätze lieferten davon ein schön differenziertes Zeugnis voller Sinnlichkeit. Insbesondere Philipp Schupelius gelangen wunderbar inspirierte Kantilenen.
Wenn ein Trio nichts demonstrieren, uns nicht primär verblüffen, sondern nur teilhaben lassen will an der Musik, macht Kammermusik Freude, ja so erlangt sie eigentlich erst ihren Sinn.
Für das Thema Russische Klavierschule hatten sich vier junge Pianisten eingefunden, der Schweizer Simon Bürki, der Serbe Vladimir Acimovic sowie die beiden Russinnen Anastasiia und Elizaveta Kliuchereva, die in Showstücken der hoch virtuosen Art ihr technisches Können unter Beweis stellen. Das gelang allen vier absolut brillant und sonor. Als Zugabe gab es den Galopp-Marsch von Glinka für Klavier zu acht Händen, wirklich die Kirsche auf dem Kuchen.