Harfe, Klavierwerke, Kammermusik und Piazzollas Jahreszeiten, das Programm der gestrigen Konzerte beim VP Bank Classic Festival im Grand Resort Bad Ragaz war bunt gemischt. Remy Franck schildert seine ebenso vielfältigen Eindrücke.
Zum Harfen-Solokonzert im intimen Musiksalon des Grand Hotels war die 16-jährige Russin Alisa Sadikova angetreten. Von der Vladimir Spivakov International Charity Foundation gefördert, studiert sie heute an der Musica Mundi School in Waterloo (Belgien) bei Catherine Michel.
Die vielfach mit Preisen ausgezeichnete Harfenistin spielte ein Programm mit Werken von Manuel de Falla, Michail Glinka, Albert Zabel, Ekaterina Walter-Kühne,
Henriette Renié, Nino Rota und Sergei Prokofiev, technisch beeindruckend, mit wunderbaren Gestaltungsmöglichkeiten, die die sehr verschiedenen Werke entsprechend diversifizierten. Technisch mag die junge Musikerin sehr weit gediehen sein, nur an ihrem Auftritt muss sie noch arbeiten. Etwas mehr aufs Publikum zugehen, mehr Charisma sind für einen weiteren Erfolg wohl unerlässlich.
Das Abendkonzert, bei dem sich erneut die beiden Artists in Residence vorstellten, begann mit Dmytro Chonis Darbietung einer warmen und perfekt geatmeten Ersten Arabesque von Claude Debussy, der er die 5. Sonate von Joseph Haydn folgen ließ, mit einem fein nuancierten Moderato und einem reflektiven Allegretto, das eine Spur melancholischer klang als üblich und dadurch eine ganz besonders schöne Qualität erlangte. Das quirlige Presto beendete eine sehr gute und anspruchsvolle Interpretation dieser Sonate.
Dann stellten sich Cellist Christoph Heesch und der junge deutsche Pianist Julius Asal mit Dmitri Shostakovichs Cellosonate op. 40 vor, die sie in den schnellen Sätzen hoch intensiv, in den langsamen Teilen sehr lyrisch gestalteten. In Beethovens 4. Cellosonate versuchten sich die beiden in einer sehr persönlichen, teils wiederum sehr kantablen, teils energischen Deutung, die das angeregte Dialogieren ins Leere laufen ließ und so symptomatisch wurde für eine Zeit, in der auf politischer Ebene mehr aneinander vorbeigeredet wird als wirklich miteinander. Sehr passend für unsere Zeit!
Zum Schluss stand dann wieder das Ensemble Esperanza mit Konzertmeisterin Chouchane Siranossian auf der Bühne, mit Astor Piazzollas Las Cuatro Estaciones Porteñas im grandiosen Arrangement von Leonid Desyatnikov. Die Geigerin Sara Domjanic hatte den Solopart in einer spannenden, spontanen und oft provozierend frechen Darbietung übernommen.
Seitdem die Tradition des Piazzolla-Spiels gebrochen wurde, fließen die Interpretationen in die verschiedensten Richtungen. An diesem Abend war es die Frische der Gefühle, die ebenso überraschte wie die Palette der neuen Farben, die von den Instrumenten im Ensemble Esperanza ausgingen. Durch das Beharren auf den Verbindungen zwischen Tango und Tanz bot Esperanza unter der präzisen Leitung von Chouchane Siranossian eine Vielzahl von Rhythmen und Bewegungen, mit abwechslungsreichen Verläufen oder rhythmischen Unterbrechungen, die mehr auf den körperlichen Ausdruck als auf die Klarheit der Tanzrhythmen ausgerichtet waren. So kamen das Lichtvolle des Frühlings (insbesondere auch im Spiel von Sara Domjanic) genauso zum Ausdruck wie das Schwüle und Laszive des Sommers sowie das Reflektiv-Nostalgische des Herbstes, das in der die Geige der Solistin manchmal berückend schmerzlich klang. Kratzbürstige Akzente prägten den Winter. Und wenn dann, nach dem berauschenden Anfang, 25 Minuten und etliche gebrochene Pferdehaare später das Stück zu Ende ging, war überaus deutlich geworden, wie herrlich dramatisch und sinnlich zugleich Piazzollas Musik sein kann.