Bei einer Probe des Violinkonzertes von Rautavaara fragte ein Dirigent zum lebhaften rhythmisch eigenwilligen Beginn, ob das finnische Musik sei. Es klingte eher nach Balkan. Rautavaara konterte, so seien die Finnen halt samstagabends. Das Ende des Konzertes brachte der Komponist in einem Zimmer an der geräuschintensiven ‘Fifth Avenue’ in New York zu Papier, so dass sowohl die Sologeige als auch das Orchester diese Intensität zeigen müssen. Natürlich finden sich bei ihm, wie bei seinem Landsmann Sibelius, auch typisch finnische Stimmungen.
Das Violinkonzert von Sibelius ist bekannt, jenes von Einojuhani Rautavaara dagegen hat seinen Platz noch nicht überall gefunden. Formal hat es, äußerlich betrachtet, zwei Sätze, die sich aber jeweils in zwei Abschnitte gliedern, so dass es fast eine Symphoniegestalt hat. Der erste Satz besteht aus einem quasi klassischen Kopfsatz, dem sich ein langsamer anschließt. Der zweite startet mit einem Scherzo, das in ein Finale übergeht.
Die Sologeige begegnet so ständig neuen Gesichtspunkten, bei denen sie vom Orchester begleitet und gefordert wird. Im abschließenden Teil hat der Solist eine Kadenz, über die er improvisieren muss. Da lässt Rautavaara ihm die Freiheit bzw. zwingt ihn, diese Passage selbst zu gestalten.
Der noch unter dreißig jährige Geiger Tobias Feldmann durfte sich drei CD-Programme bei seinem Label wünschen und kam auch auf diese Zusammenstellung. Die finnische Verbindung bietet sich an, und Feldmann, der in den letzten Jahren schon den Reine Elisabeth- Wettbewerb in Brüssel und den Joseph Joachim-Wettbewerb in Hannover sowie den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen hat, überzeugt auch hier. Sein Spiel ist geprägt von einer äußerst differenzierten Ausgestaltung, die sich sowohl auf die Dynamik, den Klang und den Ausdruck verteilt. Dabei richtet er sein Spiel darauf aus, die Musik sprechen zu lassen. Er stellt sie in den Vordergrund, nicht sich selbst. So werden die rhythmischen Figuren am Anfang des dritten Satzes etwas weniger pointiert dargeboten als in anderen Interpretationen, eher rund als markant, was der Musik eine weichere Note gibt. Sibelius wird in dieser Darstellung etwas weniger intensiv, sozusagen weniger belastet, mystisch und nordisch als in anderen Deutungen, es erklingt eher Finnland im Frühjahr als im kalten Winter.
Das Orchester aus Lüttich hat sich einen Platz geschaffen, der zu einem guten Teil auch von modernen Werken, auch vielen Uraufführungen, gefüllt wird. Ihre Expertise auf diesem Bereich kommt beiden Werken zu Gute. Sie sind sehr aufmerksame und sachkundige Begleiter. Jean-Jaques Kantorow, der selber als Geiger begonnen hat und sich nunmehr auch auf das Dirigieren verlegt hat, kann natürlich aus beiden Quellen schöpfen, um ein sensibler Unterstützer des Solisten zu sein.