Der Fliegende Holländer in der Waldbühne in Sopot. Das erlebte jetzt ein begeistertes Publikum des neuen Baltic Opera Festival. Ein musikhistorisch denkwürdiges Ereignis an der polnischen Ostsee nahe Danzig. Ursula Magnes berichtet.
Es grenzt an ein Wunder, dass Dirigent Marek Janowski die Einladung von Tomasz Konieczny angenommen hat. Janowski, der sich von szenischen Produktionen aus Überzeugung eher fernhält, hat die musikalischen Fäden beeindruckend in der Hand. Geboren 1939 in Warschau, deutsche Mutter, lernte er seinen polnischen Vater nie kennen. Janowski wurde Dirigent und debütierte gestern in Sopot, wo schon Legenden wie Hans Knappertsbusch oder Erich Kleiber musizierten. Kaum zu glauben: Der 84-jährige Maestro und sein erster szenischer ‘Holländer’ in der Waldbühne. Tomasz Konieczny, Artistic Director des Baltic Opera Festival probt aktuell auch den Wotan im Bayreuther Ring. Er war sichtlich glücklich über diesen ‘Holländer’. Vor vier Jahren sang er zum 100-jährigen Jubiläum der Waldbühne Sopot und träumte davon, an diesem Ort wieder Oper zu machen, wieder Opern von Richard Wagner zu inszenieren. Umgeben von einer herrlichen Mischwaldkulisse.
Tragischerweise ist es derselbe Ort, an dem die Nationalsozialisten Richard Wagners Opern für ihre Propaganda missbrauchten. Zurück zur Aufführung. Auch dabei gab es Werbung. Werbung dafür, dass die Kunstform Oper alle Zeiten übersteht und immer und überall auf höchstem Niveau gedacht werden muss. Eine Übung, die gestern Abend durch die einzigartige Akustik der Waldbühne in Sopot belohnt wurde. Gut 3000 Besucher applaudierten begeistert. Gaben sogar Szenenapplaus. Die entspannte Atmosphäre ließ jegliches Zischen der Connaisseure erst gar nicht aufkommen.
Kurz kam das Gerücht auf, Tomasz Konieczny würde als Artistic Director des Baltic Opera Festival auch selbst den Holländer singen, doch machte sein Landsmann Andrzej Dobber seine Sache sehr, sehr gut. Weiß gewandet und begleitet von tanzenden Geistern sucht er Erlösung bei Senta. Eingebettet in den Erwartungen ihres Vaters Daland, stirbt Senta lieber, als Erics Ehefrau zu werden. Franz Hawlata als Daland erhebt sich aus dem Rollstuhl, wenn das Gold des Holländers ins Haus kommt. Ricarda Merbeth als wohl ‘die’ Senta des gegenwärtigen Opernbetriebs, führt eine Voodoo-Puppe des Holländers in ihrem Puppenwagen. Diese ersticht der eifersüchtig verzweifelte Eric, in heldischen Ausbrüchen gesungen von Stefan Vinke.
Der beleuchtete Wald macht einen richtig gruseln. Man ist sich den ganzen Abend nie ganz sicher, was oder wer da noch rauskommen könnte. Marek Janowski bleibt mit entspannter Dirigierhand was Tempi und Phrasen betrifft unerbittlich. « Empathisch unerbittlich » wie er selber sagt. Er hat die ganze Produktion in wenigen Probentagen auf ein international herzeigbares Niveau gehoben. Immer wieder schön zu hören wie schon in der Ouvertüre des Holländers und dann am Ende der Oper die Tristan-Thematik durchscheint. Aus Sicht der Besucherin ist das natürlich ein etwas nerviges Thema. Der Holländer könnte ja einfach weg bleiben oder einfach nicht ständig andere für seine Erlösung in sieben Jahres Abständen in Verzweiflung bringen. Dementsprechend erinnert die Schlusspietà der toten Senta an den erlösten Erlöser im Mutterschoß.