Richard Wagner: Die Walküre; Nina Stemme (Brünnhilde), John Tomlinson (Hunding), Waltraud Meier (Sieglinde), Simon O'Neill (Siegmund), Ekaterina Gubanova (Fricka), La Scala Orchestra, Daniel Barenboim; Inszenierung: Guy Cassiers; 1 Blu-ray Arthaus 108091; Bild HD 16:9; Surround & Stereo; Live 12/10 (238') – Rezension von Remy Franck
So manche Schlussfolgerungen kann man nach den beiden ersten Abenden dieses Mailänder ‘Ring des Nibelungen’ ziehen. Zunächst die, dass der Ring 2010 in Mailand besser besetzt wurde als es anderen Opernhäusern gelang. Was in beiden Livemitschnitten musikalisch herüberkommt, ist mit wenigen Einschränkungen grandioser Wagner.Eine andere Feststellung drängt sich auf: Wenn ein Regisseur die Grundrichtung nicht in Frage stellt und seine Modernität mit allerlei Schnickschnack manifestiert, die man angesichts der musikalischen Leitung akzeptieren kann, dann soll es halt so sein. Visuell ruft Guy Cassiers Inszenierung den ‘Fura dels Baus’-Ring aus Valencia in Erinnerung, ohne dessen Konsequenz in der Durchführung und ohne dessen Fantasie in der Ausstattung.
Auch der Mailänder Ring lebt von großflächigen Projektionen, die im ‘Rheingold’ aufdringlicher wirken als in der ‘Walküre’. Auf etliche kitschige Details, etwas die drehende Diskokugel, hätte man gerne verzichtet, und die Kostüme der Damen hätten auch nicht aussehen müssen wie die schönsten Roben von Hochpreis-Couturiers, aber, wie gesagt, man kann’s verkraften.
Selbst die während des ganzen ‘Rheingolds’ herumtanzende ‘Eastman Ballet Company’, die Handlungsstränge verdeutlichen soll, ist ein Element, das zwar eigentlich überflüssig ist, aber zumindest das Ganze nicht ‘ad absurdum’ führt.
Der Vorteil der Verfilmung durch Emanuele Garofalo ist, dass die Kamera immer ziemlich nahe an den Sängern ist und das Inszenierungskonfetti meistens nicht berücksichtigt.
Im ‘Reingold’ ist René Pape ein beeindruckender Wotan mit einer lyrischen, aber falls nötig auch leidenschaftlich-dramatischen Stimme. Schade, dass er für die ‘Walküre’ absagte.
Johannes Martin Kränzles Alberich hat Format, und auch Stephan Rügamer überzeugt als Loge vokal und darstellerisch. Die anderen Herrenrollen sind gut besetzt, insbesondere Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime (schöne, reine Tenorstimme) und Kwangchul Youn als stimmgewaltiger Fasolt.
Die Damenrollen sind ausnahmslos gut besetzt, mit Ausnahme von Doris Soffel, deren Fricka etwas viel Vibrato hat.
Der zweite Teil der Tetralogie ist im Großen und Ganzen nicht weniger überzeugend als der erste und lebt genau so von Daniel Barenboims inspiriertem Dirigieren und, vor dem heimischen Schirm, vom Talent des Bildregisseurs, der einmal mehr die handelnden Personen in den Vordergrund stellt und die Bühne damit weitgehend unbeachtet lässt.
Anstelle von René Pape, der zu dem Zeitpunkt eine Karrierenpause einlegte, singt der Ukrainer Vitalij Kowaljow. Er erledigt sich seiner heiklen Aufgabe nicht schlecht, aber es fehlt ihm doch sowohl an stimmlicher Souveränität als auch an Persönlichkeit. Simon O’Neill ist ein herausragend guter Siegmund, ein richtiger Wagner-Tenor mit leuchtender Höhe, schlank und gleißend wie Nothung, scharf wie ein Laserstrahl und das alles mit einer bestaunenswerten Mühelosigkeit. Der Neuseeländer überzeugt stimmlich und interpretatorisch. Ihm gegenüber steht der schwache Opa-Hunding von John Tomlinson.
Waltraud Meier als wundervolle Sieglinde ist darstellerisch und sängerisch hinreißend, sowohl wegen der Intensität, mit der sie die Rolle gestaltet, als auch wegen der Nuancen, zu denen sie dabei fähig ist.
Nina Stemme ist in der Rolle der Brünnhilde eine großartige Darstellerin und eine grandiose Sängerin. Ekaterina Gubanova singt eine exzellente Fricka.
Ein weiterer Vorzug dieser Aufnahme ist das Orchester der Scala, das sich von Daniel Barenboim zu leidenschaftlichem, detailreichem und gleichzeitig hell-schlankem Musizieren inspirieren lässt.
Mostly excellent singers, a good orchestra and an outstanding conductor let the Milan ‘Ring’ become the best heard in years. Guy Cassier’s staging lacks coherence and is overloaded with odd symbolism, but since the video director is concentrating on the singers, the director’s staging confetti doesn’t disturb too much. At the end we have the impression of an enthralling performance in many respects, led by a fully experienced Wagner conductor, Daniel Barenboim, with the profound conviction that comes from experience rather than from an ego.