Kann man sich derzeit einen strahlenderen Lohengrin als den von Klaus Florian Vogt vorstellen? Man muss schon sehr weit zurückdenken, um einen Tenor zu finden, der diese Partie mit einem solchen Schmelz, einer fast außerirdischen Schönheit singt wie Vogt. Ihm zu Seite stand in diesem Jahr nicht Annette Dasch (Babypause) sondern Edith Haller, die hier seit Jahren hier in Bayreuth mit Ausnahme der Sieglinde 2010 nur kleinere Rollen wie Gutrune, Freia, 3.Norn oder Helwige gesungen hat. Ohne Nervosität, dafür aber mit viel Einsatz und Gesangskultur war sie Vogt eine ebenbürtige Partnerin, obwohl im dritten Akt einige gequetschte Spitzentöne ihren ansonsten makellosen Vortrag beeinträchtigten.
Gewaltig wie auch schon in den Vorjahren war die Ortrud von Petra Lang, die einerseits mit gewaltigem Stimmpotential auftrumpfte, andererseits aber auch sehr subtil ihre Fäden zog. Thomas J. Mayer sang den Telramund nun bereits im dritten Jahr und bestach mit seinem jugendlich, heldischen Bariton, der nicht unbedingt dem düsteren Bösewicht entspricht, als den diese Figur gerne interpretiert wird.
Hervorragend auch Samuel Youn als Heerrufer und Wilhelm Schwinghammer als König Heinrich. Das Dirigat von Andris Nelsons hat an Dramatik und Eigenständigkeit noch hinzugewonnen, so dass die Abgründe, die diese Musik in gewissen Momenten zu bieten hat, zum ersten Mal wirklich deutlich wurden. Musikalisch herrschte aber nicht nur Topniveau, sondern es war vor allem diese Homogenität zwischen Sängern, Orchester, Dirigenten und Inszenierung, die diesen Lohengrin zum einem Paradebeispiel einer erstklassigen Wagner-Aufführung machten.
Die anfangs ausgebuhte Inszenierung von Hans Neuenfels hatte aber schnell die Kritiker besänftigt, so dass sie bereits heute zu den Kultinszenierungen der Bayreuther Festspielgeschichte gehört. Neuenfels verlegt die Handlung in ein aseptisches Labor, bei dem Ratten natürlich nicht fehlen dürfen. Diese Ratten symbolisieren dann auch das ‘Rattige’ im Menschen, das Hinterhältige, das Böse. Doch in diesem Labor geht es darum, diese Ratten und den Menschen als solchen künstlich weiterzuentwickeln und ihn dabei in jedem Moment zu beobachten und von außen gegebenenfalls einzuschreiten. Das Leben an sich ist bei diesem Experiment unwichtig. Lohengrin und Elsa, Ortrud und Telramund, sie alle sind nur Marionetten, Versuchspersonen in diesem ‘Experiment Mensch’, das gründlich fehlschlägt. Und am Schluss entpuppt sich der geklonte Gottfried als grässliche Missgeburt und nicht als neuer Beschützer von Brabant. Neuenfels bewegt sich hier auf einem sehr gefährlichen Terrain, schafft es aber immer, die Geschichte konsequent und logisch zu erzählen und gerade die Gefühle seiner vier ‘Hauptprobanten’ in den Mittelpunkt zu stellen. Das Bühnenbild von Reinhard von der Thannen bildete durch seine abweisende Kälte einen starken Kontrast zur wunderbar warmen Musik. Am Premierenabend gab es den verdienten Jubel für alle Mitwirkenden, insbesondere aber für den sensationellen Klaus Florian Vogt und den begnadeten Dirigenten Andris Nelsons. Alain Steffen