Die Preisverleihung und das Galakonzert der International Classical Music Awards fanden an diesem Wochenende im Palau de la Musica in Valencia statt. Mit dabei waren das Orquesta de Valencia unter der Leitung seines Musikdirektors Alexander Liebreich sowie Gewinner der diesjährigen ICMA-Jury. Uwe Krusch berichtet.
Die Award Ceremony wurde von ICMA-Präsident Remy Franck und Generalsekretär Nicola Cattò moderiert. In seiner Einführung wies Remy Franck auf die Unabhängigkeit der ICMA-Jury hin: « Die Unabhängigkeit von der Musikindustrie, anders als bei den Grammys oder dem deutschen Opus, bedeutet uns sehr viel. Sie verleiht dieser Jury ihre Glaubwürdigkeit und verleiht unseren Preisen einen einzigartigen Wert. »
Bei der Zeremonie, in der die Preisträger am Nachmittag geehrt wurden, war schon eine musikalische Einstimmung auf das Galakonzert am Abend zu hören. Aus der Gastgeberstadt des Jahres 2024, Valencia, brachten zwei junge, lokale Künstler ihr Können zu Gehör. Die Oboistin Victoria Muñoz spielte vier Sätze aus den Metamorphosen von Benjamin Britten. Mit wandlungsreichem Ton, der die Merkmale des Instruments klar herausstellte, wusste sie die Charaktere des Werkes zu beleben. Der Pianist Rubén Talón zeigte am Flügel die deutlich mediterran angehauchte Fantasía Bética, also die Andalusische Fantasie, mit kraftvollem Ausdruck, aber auch feinsinnigem Nerv.
Beim Galakonzert im fast vollbesetzten großen Saal des Palau de la Musica in Valencia war das Hausorchester, das Orquesta de Valencia, der wesentliche Träger der zu hörenden Musik, die wieder in stringenter, aber auch vielfältiger Weise entlang der verliehenen Preise und Preisträger zusammengestellt worden war.
Die Einstimmung erfolgte mit dem Träger des Komponistenpreises, Orazio Sciortino als Dirigent des eigenen Stückes. Seine Grande Bagattella per orchestra, gerade erst vollendet, zeigte ein durchsichtig gesetztes Werk, das weitgehend rhythmisch prägnant erklang, aber durch zwei kurze flächig angelegte ruhige Passagen gegliedert war, die wie Sorbets zwischen den kräftigen Tellern gereicht wurde.
Die nächsten beiden Stücke ermöglichten den Gewinnern des Lifetime Achievement Award, nämlich den Geschwistern Güher und Süher Pekinel, sich zu präsentieren. Im ersten Satz aus dem Konzert in c-Moll, BWV 1062, von Johann Sebastian Bach formten sie ihr unnachahmliches Zusammenspiel in Gemeinschaft mit dem im Stehen in kleiner Besetzung aufspielenden Orchester. Hier hatte dann auch Alexander Liebreich, Chef des Orchesters, seinen ersten Einsatz als Dirigent. Alle Beteiligten erreichten eine beschwingt fließende Darstellung des Werkes.
Die beiden Preisträgerinnen zeigten dann noch an zwei Pianos als Solistinnen Witold Lutosławskis Fragmente der Paganini-Variationen. Mit unglaublicher Sicherheit gaben sie der Musik eine ebenso virtuose Seite wie auch sensible Momente.
Mit der Arie Impétueux torrent aus Tarcis et Zélie von François Rebel & François Francœur wusste der Tenor Cyrille Dubois mit deklamatorischer Sicherheit und barock geprägtem Gesangsstil seine tenorale Stimme mustergültig expressiv zu zeigen, ohne deswegen in das der Stimmlage eigene Pathos zu gleiten.
Mit dem ICMA Discovery Award war Lana Zorjan ausgezeichnet worden. Ihre Interpretation der Tzigane von Maurice Ravel begann sie in ihrer Soloeinleitung mit einer eher tiefsinnig klagend angelegten Lesart als einem von Anfang an draufgängerischen Solistengehabe. Auch im folgenden Zusammenspiel mit dem Orchester unter Alexander Liebreich wusste sie dann ihre Sicht des Werkes durchzuhalten und so einen persönlichen Eindruck zu hinterlassen, der deutlich machte, warum sie mit dem Preis bedacht worden war. Dabei konnte sie sich auf das sehr aufmerksame und zugewandte Zusammenspiel von und mit Orchester und Dirigent verlassen.
Dem folgte von Kaija Saariaho mit Dolce Tormento, einem Solowerk für Piccoloflöte und Stimme, in dem Sharon Bezaly brillierte. Obwohl es sich um ein modernes Werk handelte, konnte Bezaly in dieser vom leisesten Hauch bis zum für diesen Flötentyp bekannten markigen Ton, der bei ihr aber immer konziliant blieb, geformten Komposition, immer wieder mit ihrer Stimme kombiniert, so einen starken Moment der Darbietung zu erzielen, dass das Auditorium begeistert reagierte.
Mit dem Rondo für Cello und Orchester von Antonin Dvořák repräsentierte Tanja Tetzlaff stellvertretend für ihren Bruder Christian und als Vermächtnis für den verstorbenen Pianisten Lars Vogt die Auszeichnung mit dem Kammermusikpreis für ihre gemeinsame Aufnahme von Schubert-Werken. Tetzlaff, Liebreich und Orchester wussten mit diesem schwungvoll lyrisch dargeboten Stücke das Publikum zufrieden in die Pause zu entlassen.
Nach der Pause eröffneten Liebreich und sein Orquesta de Valencia mit Lever du Jour aus Daphnis et Chloé von Maurice Ravel den Abschnitt. Hier wurde bestens hörbar, wie es Liebreich gelungen ist, das Ensemble zu einer mit starker gestalterischer Kraft agierenden Einheit zu formen, die die Möglichkeiten der Farbgebung und orchestraler Spielkultur gemeinsam ausloteten.
Mit dem ersten Satz aus dem ersten Gitarrenkonzert von Mario Castelnuovo-Tedesco stellte sich Cassie Martin vor, der der ICMA Classeek Award verliehen worden war. Ihr gelang es ohne Abstriche, das im klassischen Konzertleben vernachlässigte Instrument wirkungsvoll zu präsentieren, wenn auch das charmante Werk ihr nicht alles an Gestaltungsmöglichkeiten abverlangte.
Ein Special Achievement Award war dem Dirigenten Sylvain Cambreling verliehen worden. An diesem Abend dankte er dafür mit einem Dirigat des dritten Satzes aus L’Ascension von Olivier Messiaen. Auch er konnte das Orquesta de Valencia zu Höhenflügen inspirieren. Mit einer an Strawinsky erinnernden Schärfe eröffnete er seinen Part. Danach entlockte er zusammen mit dem Orchester der Musik alle Facetten, die dieses Werk so faszinierend machen.
Mit wenigen Dirigierbewegungen konnte danach wieder Alexander Liebreich passgenau in die Welt von Giuseppe Verdi, genauer in die Aria Ernani, involami aus Ernani einstimmen, bei der als Solistin und Gewinnerin des ICMA Young Artist of the Year Preises, die Sopranistin Aida Pascu zu hören war. Ihre Darbietung ergänzte die Vorgaben von Liebreich und Orchester in ohne Einschränkungen überzeugender Weise und verführte abschließend das Publikum zu Beifallsstürmen. Mit einer für eine so junge Künstlerin überwältigenden stilistischen Sicherheit und Ausdrucksstarke der Stimme, die ihre Stimmlage in vollem Umfang gleichmäßig abdeckt, wusste sie zu überraschen und zu begeistern.
Das Beste kommt zum Schluss wäre sicherlich eine unangemessene Formulierung, hatte das Konzert doch bereits so viele grandiose Leistungen gebracht und Eindrücke vermittelt. Doch konnte der Artist of the Year, Renaud Capuçon, mit seinem Beitrag noch einmal neue Welten eröffnen. So spielte er erstmals öffentlich Thema und Variationen der kaum jemandem bekannten Komponistin Charlotte Sohy. Dieses sehr schön lyrische Werk entfaltete in zehn Minuten einen so nachhaltigen Charme, dass man das Fehlen eines virtuos zirzensischen Abschlusses nicht nur nicht vermisste, sondern in höchstem Maße froh sein durfte, an dieser Entdeckung beteiligt gewesen zu sein.
Wie schon in der Zeremonie mehrfach betont worden war, überschlagen sich gerade die kleineren und innovativen Labels mit immer neuen Veröffentlichungen von spannenden Entdeckungen unbekannter Werke. Umso schöner, so etwas auch im Konzert zu erleben.
Vermutlich ließ dieses fantastische Konzert keinen Zuhörer unbeeindruckt. Mir jedenfalls bot es viele neue Anregungen.