Edward Elgar: Violinkonzert op. 61 + Violinsonate op. 82; Renaud Capuçon, Violine, Stephen Hough, Klavier, London Symphony Orchestra, Simon Rattle; 1 CD Erato 9029511282; Aufnahme 09/2020, Veröffentlichung 05/03/2021 (74'28) – Rezension von Uwe Krusch
Ob es an der historisch bedingten Distanzierung der Politik von England und Frankreich oder einfach an dem speziellen Tonfall der englischen Musik oder an anderen Gründen liegt, ist unklar. Aber die Zahl der Freunde englischer Musik im Allgemeinen und die französischer Geiger, die sich Edward Elgar annehmen, ist sehr überschaubar. Nun hat sich Renaud Capuçon beeindruckend für diese Musik eingesetzt.
Das Spiel von Capuçon ist in dieser Aufnahme in mehrerlei Hinsicht besonders. Er legt eine ganz persönliche Gestaltung vor, die das Changieren zwischen Phlegma und packendem Zugriff ausgefeilt gestaltet. Auch in der Dynamik nutzt er den Spielraum, vor allem in die ganz leisen Welten dieser Werke, aus. Dabei kann er sich auf seinen edlen und immer frei klingenden Geigenton verlassen, der es ihm erlaubt, die Musik nicht auch noch zu forcieren, sondern einfach die Ausdrucksstärke seiner Darstellung wirken zu lassen. Das tut beiden Werken gut, da sie ohnehin rhapsodisch bis lyrisch voll von Emotionen stecken. Diese lassen sich in der inoffiziellen Widmung des Konzertes, vermutlich an seine Muse Alice Stuart-Wortley, herausdeuten. Jedes Auftrumpfen würde diese eher intimen Werke entstellen.
Nicht ganz im Einklang dazu wirkt das Orchester. Das mag an der Aufnahmetechnik liegen. Eher erscheint es so, dass die ungewohnten Umstände der Sars-Cov 2 Situation gerechten Anordnung, also Abstand, trennende Raumteiler sowie eine kreisförmige Sitzordnung, doch zu Lasten eines durchhörbar klaren Ergebnisses einwirkten. Denn dass Rattle, der das Werk vor beinahe einem Vierteljahrhundert mit Kennedy schon einmal eingespielt hatte, und das ebenfalls mit der Musik vertraute Orchester dem nicht gewachsen waren oder, gerade in diesen Zeiten, keine Lust hatten, zu musizieren, scheint schlicht ausgeschlossen.
In der Violinsonate ist der Pianist Stephen Hough ein mindestens ebenbürtiger Partner. So stellt man sich ein ideales musikalisches Gespräch vor, bei dem keiner den anderen unhöflich unterbricht und sich jeder die Zeit nimmt, erst zuzuhören, bevor er seine Erwiderung fein begründet gibt. So entpuppen sich Capuçon und Hough als ideale Vermittler für die Sonate. Mit Finesse, Leidenschaft und Lyrik voller Schönheit, sorgfältig dargestellte Phrasierungen, dynamischer Nuancierung sowie einem gemeinsamen umfassenden Blick auf die Struktur lassen die Musik zart und bezaubernd erblühen, so wie ein Windröschen, der Kosename der Muse Alice.
Trotz der kleinen genannten Einschränkungen soll die Bewertung den tollen Einsatz der beiden Solisten in den Vordergrund rücken.
Whether it is due to the historical distancing of politics from England and France, or simply to the special tone that characterizes English music, or to other reasons is unclear. But the number of friends of English music in general and of French violinists who play Edward Elgar is very manageable. Now Renaud Capuçon has made an impressive commitment to this music.
Capuçon’s playing in this recording is special in several ways. He puts forward a very personal design, sophisticatedly shaping the oscillation between phlegm and gripping access. He also exploits the scope in dynamics, especially in the very quiet worlds of these works. He can rely on his noble and always free-sounding violin tone, which allows him not to force the music as well, but simply to let the expressiveness of his performance take effect. This fits both works very well, since they are full of emotion from rhapsodic to lyrical anyway. These can be gleaned from the concerto’s unofficial dedication, presumably to his muse Alice Stuart-Wortley. Any showiness would disfigure these rather intimate works.
The orchestra does not seem quite in harmony with this. This may be due to the recording technique. Rather it seems that the unusual circumstances of the Covid-19 arrangement, i.e. distance, room dividers as well as a circular seating arrangement, nevertheless worked to the detriment of an audibly clear result. The fact that Rattle, who had already recorded the work with Kennedy almost a quarter of a century ago, and the orchestra, which was also familiar with the music, were not up to the task or, especially in these times, did not feel like making music, seems simply impossible.
In the Violin Sonata, pianist Stephen Hough is at least an equal partner. This is how one imagines an ideal musical conversation, in which no one rudely interrupts the other and each takes the time to listen first before giving fine reasons for his retort. Thus, Capuçon and Hough emerge as ideal mediators for the sonata. With finesse, passion and lyricism full of beauty, carefully rendered phrasings, dynamic nuance as well as a shared comprehensive view of structure allow the music to blossom delicately and enchantingly, like an anemone, the pet name of the muse Alice.
In spite of the minor limitations mentioned, the rating is intended to highlight the terrific efforts of the two soloists.