My last photo from Krzysztof Penderecki (with Lawrence Foster), made in April 2019
(c) Remy Franck

Das Thema Vergänglichkeit prägte das Konzert, das Lawrence Foster gestern mit dem Nationalen Polnischen Radio-Symphonieorchester und dem NFM-Chor in der Warschauer Philharmonie dirigierte. Remy Franck berichtet.

Das Thema des Abends war gegeben durch Krzysztof Pendereckis Achte Symphonie, Lieder der Vergänglichkeit, aber es wurde schon deutlich in einer kurzen Ansprache, mit der sich Dirigent Lawrence Foster an das Publikum wandte. Er sprach über den riesigen Verlust, den die Menschheit durch den Brand von Notre-Dame erfahren habe und gab gleichzeitig seiner Hoffnung Ausdruck, dieses Gebäude wieder auferstehen zu sehen.

(c) Bruno Fidrych

Das erste Stück auf dem Programm sollte diese Freude gewissermaßen antizipieren: Es war die Akademische Festouvertüre von Johannes Brahms, die bei Foster alles Akademische verlor. Er dirigiert sie schlank, transparent und ohne jedes Pathos. Das Nationale Polnische Radio Symphonieorchester aus Katowice (NOSPR) machte seinem guten Namen alle Ehre und musizierte hinreißend.

In einem gewissen Sinn ist auch die Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms mit dem Thema Vergänglichkeit verbunden, zumindest mit der erhofften Vergänglichkeit des Bösen. Die Altistin Ewa Wolak war die Solistin in einer recht dramatischen Interpretation dieses Werks.

 

Lawrence Foster & Krzysztof Penderecki
(c) Remy Franck

Krzysztof Pendereckis Achte Symphonie, Lieder der Vergänglichkeit, beschloss das Konzert. Penderecki komponierte seine achte Symphonie als Auftragswerk der Luxemburger Regierung für die Eröffnung der Philharmonie in Luxemburg. Geschrieben ist es für drei Solisten, Chor und Orchester, auf Gedichte von Hermann Hesse, Bertolt Brecht, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Karl Kraus, Achim von Arnim und Rainer Maria Rilke. Die 12 Sätze tragen die Titel: Nachts, Ende des Herbstes, Bei einer Linde, Flieder, Frühlingsnacht, Ende des Herbstes (2), Sag’ ich’s euch, geliebte Bäume?, Im Nebel, Vergänglichkeit, Ende des Herbstes (3), Herbsttag, O grüner Baum des Lebens.

Das imposante Werk wurde am 26. Juni 2005 in Luxemburg unter der Leitung von Bramwell Tovey uraufgeführt. Die damals knapp 40 Minuten dauernde Symphonie mit ihrer moderat-modernen und sehr lyrischen Sprache hatte uns bei der Uraufführung nicht besonders stark beeindruckt, aber nachdem das Werk 2007 revidiert, umgeschichtet und durch vier Sätze ergänzt wurde, hat es eine viel stärkere Aussage bekommen, und ich kann nur jedem raten, der eine Aufnahme der ersten Fassung hat, unbedingt die komplette Version zu kaufen, denn erst darin offenbart sich die ganze Größe der Musik.

Lawrence Foster & Remy Franck
Foto: Cornelia Much

Krzysztof Penderecki hat in dieser Endfassung seine Ausdruckskraft und seine klangfigurative Sprache in einer höchst raffinierten Weise verbunden, und es ist so ein Werk geworden, das ihn auch als Menschen vielleicht am stärksten charakterisiert. Im direkten Kontakt mit der Natur in Luslawice, wo er sein riesiges Arboretum gepflanzt hat, stellte er unter dem Motto des Baumes eine Gedichtanthologie zusammen, aus der eine musikalisch-philosophische Reflexion über die Vergänglichkeit menschlichen Lebens entstand.

Ausgehend von Eichendorffs « wunderbarem Nachtgesang“, sieht er mit Rilke “wie alles sich verwandelt”, stellt mit Eichendorff fest, wie “Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäft’ge Welt,” die er jedoch betreten kann, mit der Kraft des Waldes, “So wird mein Herz nicht alt”. Und am Ende wartet nicht der düstere Tod, sondern die Transzendenz: “Es ward mein Sinn erheitert, Die Welt mir aufgetan, Der Geist in Gott erweitert, Unendlich ist die Bahn!“ Die Zusammenstellung dieser Gedichte ist allein schon ein Meisterwerk.

Die Symphonie erfuhr gestern Abend in der Warschauer Philharmonie eine bewegende Aufführung unter der Leitung von Lawrence Foster, der das Werk ungemein farbig werden ließ und den Kontrast zwischen Schmerz, Leid und Hoffnung schärfte.

Die Solisten Iwona Hossa – sie hat das Werke mittlerweile bereits 30 Mal gesungen, wie sie uns sagte – Anna Lubanska und Dietrich Henschel sangen vorzüglich, und das NOSPR reagierte spontan und mit schillernden Farben auf Fosters Dirigat.

Einen wirklich großartigen Eindruck machte der von Agnieszka Frankow-Zelazny vorbereitete NFM Chor aus Wroclaw. Zwischen verhaltenem Klang und strahlender Kraft lotete der Chor seinen Part wunderbar aus.

Viel Jubel vom Publikum gab es am Ende für alle Beteiligten und insbesondere für den 85-jährigen Komponisten Krzysztof Penderecki.

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