Natürlich wünscht sich jeder Interpret, seine CD möge beim Publikum stürmische Begeisterung und ungeteiltes Lob hervorrufen. Doch ist nicht vor allem derjenige Tonträger interessant und ein mindestens ebenso großer Beitrag zur Audiokultur, an dem man sich reiben möchte und kann? ‘Beethoven für Chor’ mit dem Deutschen Jugendkammerchor unter der Leitung von Florian Benfer verdient es, als solcher gehört zu werden.
Denn das Repertoire wendet sich an zwei Lager: Dasjenige, das argumentiert, Beethoven habe (mit Ausnahme der Missa Solemnis oder dem Chor aus der Neunten Symphonie vielleicht) nichts wirklich Brauchbares für Chor geschrieben – und jenes, das neugierig das wenige, was der Komponist allen Unkenrufen zum Trotz hier zu Papier gebracht hat, durchaus goutiert. Es ist nicht viel: Gerade mal vier der 19 eingespielten Sätze sind Originale für Chor: Das Göttliche, Auld Lang Syne, Elegischer Gesang und Wo die Unschuld Blumen streute als Chor aus der Musik zum Festspiel König Stephan. Bei allen anderen handelt es sich um Bearbeitungen von Lied- oder Instrumentalsätzen durch andere Komponisten (darunter Clytus Gottwald oder Friedrich Silcher).
Der Deutsche Jugendkammerchor, der für Carus einen Teil des im gleichen Verlag erschienenen Beethoven-Chorbuchs eingesungen hat, ist ein wendiges und transparent agierendes Ensemble. Einzig bei den Frauen stören zuweilen leicht schrille und stark tremolierende Einzelstimmen den ansonsten geschlossenen und homogen ausgerichteten Gesamtklang. Nicolai Krügel übernimmt an einigen Stellen die Klavierbegleitung – besonders einfühlsam natürlich beim Kyrie, das Beethoven-Zeitgenosse Gottlob Benedict Bierey über den ersten Satz der Mondschein-Sonate komponiert hat – Gounods Ave Maria auf Bachs C-Dur-Präludium lässt grüßen. Schön ist auch das lautrhythmische Marmotte zu hören, anrührend das O care salve, 2018 von Giacomo Mezzalira arrangiert.
Die Romantik scheint genauso wie Beethovens instrumentaler Federstrich deutlich hörbar; so basiert etwa der Persische Nachtgesang auf dem zweiten Satz der siebten Sinfonie, die Hymne an die Nacht auf dem Andante der Appassionata und Tränentrost auf dem zweiten Satz der siebten Violinsonate. Das macht ‘Beethoven für Chor’ zur prall gefüllten Pralinenschachtel, die man Stück für Stück genießen sollte – ‘verleibt’ man sich ihren Inhalt aber auf einmal ein, büßt sie aufgrund der stilistischen Süße denn doch etwas an Bekömmlichkeit ein. Spannender ist hier sicher die Gegenüberstellung mit den Vorlagen Beethovens, so sie sich denn in der persönlichen Audiothek finden.