In der Hälfte des Programms steige ich dieses Jahr ins Warschauer Beethoven-Osterfestival ein, nicht wissend, was ich alles verpasst habe, aber gewahr der Tatsache, dass mein persönlicher Festivalstart mit einem Klangwunder begann. Ich hatte das auch so erwartet, war es mir doch gegönnt, im Schlusskonzert einer Meisterklasse von Arie Vardi den 21-jährigen Szymon Nehring zu hören, den feinfühligsten und musikalischsten aller polnischen Pianisten, die ich kenne. Die anderen Pianisten, die ich danach hören sollte, waren gewiss nicht schlecht, aber wer tritt schon gegen einen Gott an, ohne zu verlieren? Szymon Nehrings Kunst ist tatsächlich nicht von dieser Welt. Schon sein Blick verrät das, der immer in die Weite gerichtet zu sein scheint.
In diesem Showcase spielte der junge Pole leider nur ein kurzes Stück, die F-Dur-Sonate KV 280 des 18-jährigen Mozart. Diese Sonate haben schon viele gespielt, doch nur wenigen ist es gelungen, die Kontraste in Tempo und Affekt so deutlich zu werden lassen wie Nehring. Kein Akkord wirkte bei ihm belanglos, jede Note erlangte ihre Bedeutung, jeder Anschlag war genau und feinfühligst gewichtet und zwar nicht technisch, sondern direkt heraus aus der Musikerseele. Wie Nehring in diesem Werk die Nuancen formte, Farben und Dynamik aufs Feinste veränderte war absolut stupend. Nehring spielt eben keine Noten, er formt den Klang und das mit extremer Klangklarheit und einem stets rhetorischen Diskurs.
Danke, Szymon Nehring, um meinen diesjährigen Festivalauftakt in Warschau zu einem kleinen Klangwunder gemacht zu haben! Remy Franck (zurzeit Warschau)