In einem der so genannten Grossen Concerte des Leipziger Gewandhausorchesters kamen sowohl bekannte als auch selten gespielte Werke der beiden Komponisten-Heroen Beethoven und Liszt zur Aufführung. Cristian Macelaru dirigierte. Rudolf Buchbinder war der Solist. Michael Oehme berichtet.
Mit dem Vierten von Ludwig van Beethoven war es allerdings das lyrischste seiner fünf Klavierkonzerte, zu dem Rudolf Buchbinder nach Leipzig eingeladen war und hier wieder einmal überaus herzlich begrüßt wurde. Buchbinder, inzwischen 78-jährig, darf als wahrer Sachwalter der Musik Beethovens gesehen werden. Niemand außer ihm könnte dem Publikum alle fünf Klavierkonzerte oder alle 32 Klaviersonaten innerhalb weniger Tage nahebringen. Ganz unprätentiös leitete er solistisch das G-Dur Konzert ein, bevor ihm das Orchester immer wieder wie in einem Dialog antwortete. Buchbinder spielte einfach überzeugend natürlich, klangschön und ohne vordergründige Brillanz. Macelaru und das Gewandhausorchester waren ihm dabei ein selbstverständlich souveräner Partner, war es doch schon zu Lebzeiten des Komponisten das Beethoven-Orchester außerhalb Wiens – mit der ersten zyklischen Aufführung aller seiner Sinfonien und der Uraufführung seines fünften Klavierkonzerts. Bei aller Demut vor dem Werk Beethovens setzte Buchbinder, der klavierspielende Schelm aus Wien dann doch noch eins drauf und begeisterte mit dem Finale aus Beethovens Sturmsonate als Zugabe.
Dem Beethovenkonzert an diesem Abend vorangestellt war Franz Liszts vierte Sinfonische Dichtung Orpheus. Einmal abgesehen vom missglückten Einstieg der Hörner am Beginn vermisste man hier noch jene atmosphärische Dichte, die Liszt dem Sänger Orpheus in Musik Gestalt hat werden lassen, um seine Eurydike zurückzugewinnen. Alles wirkte merklich unbeteiligt buchstabiert. Bezaubernd jedoch die Klänge der beiden Harfenistinnen und das Englischhorn-Solo.
Wie verwandelt war dann das Gewandhausorchester mit der Sonate in h-Moll von Franz Liszt in der Fassung für Orchester von Leo Weiner. Der 1885 in Budapest geborene Komponist mit jüdischer Herkunft hatte die Orchestrierung für das kleine Liszt-Jubiläum (dessen 70. Todestag) 1956 in Weimar geschaffen, ohne dass sie damals gespielt wurde. Erst 2006 gelangte sie in der Klassikerstadt zur Uraufführung. Alfred Brendel sprach sofort vom « besten Orchesterwerk von Franz Liszt ». Und so grandios Liszts h-Moll-Sonate ohnehin schon ist, so kongenial, ja genial ist die Orchestrierung durch Leo Weiner. Das Gewandhausorchester spielten sie nun erstmals mit einer selbstverständlichen Begeisterung, als hätten sie sie schon hundertmal auf den Pulten liegen gehabt. Es gab herrliche Soli, allen voran Konzertmeister Frank-Michael Erben mit innigstem Violinmelos. Souverän führte Christian Macelaru vom Dirigentenpult aus die Geschicke dieses auch strukturell hochspannenden Sonatengebildes. Exzellent die Orchesterfuge und überwältigend der immer stärker dominierende Trauermarsch. Eine Sensation, dieses Stück in der Fassung von Leo Weiner und in dieser Interpretation durch das Gewandhausorchester.
Zum Abschluss gab es noch Prometheus, die fünfte Sinfonische Dichtung von Franz Liszt, eine Hommage des Komponisten an Johann Gottfried Herders ‘Der entfesselte Prometheus’. Das Spiel mit dem Feuer entscheidet zwischen Hoffen und Scheitern der Menschheit und Menschlichkeit. Entsprechend kompromisslos, heftig und modern ist die Musiksprache des Weimarer Visionärs, packend durchgestaltet und vorgetragen von Cristian Macelaru und allen Instrumentengruppen am Ende eines beeindruckenden Konzertabends im Leipziger Gewandhaus.