Von Korngold selber als seine beste Oper gesehen, geriet dieses Werk lange in Vergessenheit. Zur Entstehungszeit erlebte sie auch wegen der Intrigen des Vaters des Komponisten und der Nazizeit kaum eine Blüte. Erst jetzt erfährt sie wieder Beachtung. Bei konzertanten Aufführungen in Freiburg wurde dieses im Katalog rare Werk insgesamt technisch gelungen aufgezeichnet.
Die Handlung mag aus heutiger Sicht etwas schwülstig erscheinen, aber bei welcher Oper ist das weniger der Fall? Vielleicht vermissen wir nur solche Geschichten im richtigen Leben. Der von seiner Frau ungeliebte tyrannische Herrscher verurteilt einen Fremden, weil er den Menschen Leben und Freude brachte. Am Abend vor der Vollstreckung besucht Heliane, die Frau des Tyrannen, den Verurteilten. Dabei erkennt sie seine Güte und ihre Gefühle wandeln sich in Liebe. Schließlich steht sie nackt vor ihm, gibt sich ihm aber nicht hin. Sie geht zum Beten in die Kapelle. Der Herrscher kommt in die Zelle und ist bereit zur Begnadigung, wenn der Fremde die Königin lehre, ihn, den König zu lieben. Heliane erscheint und ist entsetzt, ihren Mann zu sehen. Dieser befiehlt den Tod des Fremden und Helianes Anklage.
Die des Ehebruchs beschuldigte Heliane leugnet nicht, dass sie nackt war, aber besteht darauf, dass sie sich nur in Gedanken hingab. Der Herrscher gibt ihr seinen Dolch, damit sie sich selbst töte. Der Fremde will erst mit Heliane allein sein dürfen. Er küsst sie, nimmt den Dolch und tötet sich selbst, wodurch die Wahrheit verborgen bleibt. Der Herrscher droht Heliane ein Gottesurteil an: Wenn sie den Fremden zum Leben erwecke, sei sie unschuldig.
Beim öffentlichen Todesurteil schwört sie, den Toten zu erwecken, bricht jedoch vor der Leiche zusammen. Als der Herrscher sie weinen sieht, will er sie vor der Anklage bewahren, aber nur unter der Bedingung, dass sie die Seine sein soll. Er wird erneut zurückgewiesen und überlässt seine Frau der Menge. Mit einem Himmelszeichen erhebt sich die Leiche des jungen Fremden von der Bahre. Heliane stürzt zu ihm. Wutentbrannt stößt der Herrscher sein Schwert in ihre Brust. Der Fremde segnet die Menge und verbannt den Herrscher; dann schließt er Heliane in seine Arme und vereint in Liebe steigen sie zum Himmel empor.
Das Libretto nach ‘Die Heilige’ von Hans Kaltneker wurde von Hans Müller nicht auf die beste Weise umgesetzt. Trotzdem hatte Korngold sich in den Stoff verliebt und schuf in kurzer Zeit die Komposition. So hat er 1927 ein weiteres süffiges Werk geschaffen, das noch seiner modern spätromantischen Periode zuzurechnen ist.
Das Werk ist unglaublich reich an Klangfarben sowie an harmonischer und rhythmischer Raffinesse, man kann es als geradezu sinnlich bezeichnen. Vor selbstsicherer Handhabung ist Korngold nicht bange, aber Strauss und eine Portion Puccini linsen vorbei. Die gewohnt farbig und sicher geführte und instrumentierte Partitur wird hier überzeugend von den Kräften am Theater Freiburg umgesetzt. Fabrice Bollon, der kürzlich als Generalmusikdirektor bestätigt wurde, hält die große Besetzung sicher an der gestalterischen Leine, die jedem die Luft und den Platz zum Agieren lässt und trotzdem alles zusammen hält. Das Orchester und der Chor setzen sich beispielhaft mit der Materie auseinander.
Doch auch die Solisten bewältigen ihre Aufgaben mit Bravour. Insbesondere Annemarie Kremer als Heliane, Aris Argiris als Herrscher und der Fremde, Ian Storey, geben den Personen und Stimmen große Gestaltungskraft und beispielhafte Lebendigkeit. Doch auch alle kleineren Rollen werden mit viel Aplomb und sicherem Gespür für die Rollen in beeindruckender Weise gefüllt. So ist diese Wiederentdeckung einmal mehr ein gelungenes Beispiel herausragender Arbeit an den kleineren Häusern der vermeintlichen Provinz.