Ist die Kombination der beiden hier eingespielten Quartette tatsächlich so eigenwillig, wie es anfänglich den Anschein hat? Nicht doch: Der Schein trügt. Beide Werke beziehen ihren Titel von einem literarischen Werk: einem Gedicht von Matthias Claudius für Franz Schubert, der 1817 daraus bereits ein Lied gestaltet hat, sowie einer Novelle von Leo Tolstoi für Janácek. Die Daten ihrer Entstehung sind durch fast genau ein Jahrhundert getrennt: 1824 – 1923. Zudem feiert das ‘Quatuor Debussy’ (Christophe Collette, Marc Vieillefon, Vincent Deprecq und Fabrice Bihan), das sich immer durch originelle Programmgestaltungen und Aufführungen ausgezeichnet hat, damit seinen 20. Geburtstag.
Vor allem aber sind es der Schrecken, die Angst und die Tragik, die in beiden Werken die gleichen sind. Jeder der Sätze des ‘Kreutzer’-Quartetts von Janácek enthält die Bezeichnung ‘con moto’ = mit Bewegung. Mit innerer Bewegung, sollte man hinzufügen, denn dem Komponisten ist die in Tolstois Werk dargestellte Tragik der vermeintlichen Ehebrecherin, die von ihrem eifersüchtigen Mann ermordet wird, Grund genug für seine musikalische Auflehnung. Sie wird großartig gedeutet durch die vier Musiker, die ihr ganzes Können und ihre leidenschaftliche Intensität in den Dienst der beklemmenden Musik stellen.
Nicht weniger beklemmend ist die Deutung des vorletzten Quartetts d-Moll, D. 810, von Franz Schubert: ‘Der Tod und das Mädchen’, der mit diesem und dem letzten Quartett in G-Dur den Höhepunkt seines Quartettschaffens erreicht. Der kranke Komponist erlebt innerlich die Ängste des von Claudius evozierten sterbenden Mädchens. Ihm stellt er den einschmeichelnden, beruhigenden Tod gegenüber, so als wolle er, der an Syphilis Erkrankte und somit um seinen baldigen Tod Wissende, sich selbst beruhigen und trösten.
Vielleicht erreichen die Musiker des ‘Quatuor Debussy’ hier nicht ganz die Intensität des Jerusalem-Quartetts, um nur eine der neueren Einspielungen zu nennen, doch hat ihr beseeltes Spiel eine sogartige Wirkung, die nachhaltig bleibt.
Quatuor Debussy put their talent as well as a fervent intensity at the service of an oppressive and moving music.